Auf dem Papier versprach es ein spannender russischer Konzertabend werden: Unter der Leitung von Valery Gergiev spielte das Royal Concertgebouw Orchestra das Dritte Klavierkonzert (1909) von Sergej Rachmaninow und die Dritte Symphonie (1902-04) von Alexander Skrjabin. Beide Komponisten waren selbst phänomenale Klaviervirtuosen und beide hatten zur selben Zeit am Moskauer Konservatorium studiert. Zudem sind beide Werke im ersten Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts entstanden, noch bevor Skrjabin in seinen Kompositionen neue harmonische Möglichkeiten erkundete. Die Gegenüberstellung dieser Werke unter der Leitung eines der gegenwertig bekanntesten russischen Dirigenten schien also ein programmatischer Glücksgriff zu sein.
In der Realität aber war es vor allem ein Abend mit großem Volumen und tollen Einzelleistungen. Die Solisten waren ergreifend, der Klang der tiefen Blechbläser erschütterte bis ins Mark und Bein, aber es fehlte die Seele, der Zusammenhalt, die versengende Hitze, die großen Kontraste und auch die Überraschungen. So wird vielen vielleicht vor allem die Zugabe Behzod Abduraimovs im Gedächtnis bleiben, Tschaikowskys Nocturne, Op.19 Nr.4, die in ihrer Schlichtheit eine Insel hingebungsvoller Musikalität darstellte inmitten eines Ozeanes symphonischen Klangrausches.
Die Technik des jungen Pianisten war in Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 3 brillant, sein Ton klar und tragend. Er hatte die nötige Kraft, um die Bassnoten eines Konzertflügels nachhaltig in Schwingung zu versetzen und auch die Fingerfertigkeit zur Bearbeitung der oberen Register der Tastatur, dessen Klangresultat auch jedem Konzertbesucher ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. Darüber hinaus ist er ein sehr aufmerksamer Pianist. Er hielt nicht nur ständig ein Auge auf den Dirigenten, sondern suchte auch immer wieder Blickkontakt mit den Bläsern, wenn er mit diesen zusammen eine Melodie teilte, oder diese begleitete.
Was aber am meisten begeisterte war seine Spielfreude. Er ist geradezu ein Sänger auf dem Klavier und er spielte unter Einsatz seines ganzen Körpers. Das linke Bein war sein Standbein, auf welchem er des öfteren beinahe vom Stuhl abhebt. Man konnte förmlich sehen, wie er sich durchsetzen gegen die Gewalt des Orchesters durchsetzen musste.
Gergiev nahm die schnellen Tempi nicht zu schnell und ließ die langsamen Passagen aussingen. Die Soli mit den hervorragenden Bläsern des RCO waren allesamt ein Genuss; die ersten Geigen klangen warm und gesanglich, die Bratschen sehr präsent und sonor. In den Kadenzen war Abduraimov völlig in seinem Element und konnte auch die leisen Töne ausloten. Im Laufe des Intermezzos übernahm er deutlicher die Solistenrolle. Oftmals hörte man ihn mit dem Fuß aufstampfen bevor er in der Coda zu goldrichtigen Bässen in den Endspurt ging.