Wie die Präsidentin Helga Rabl-Stadler vor Beginn des Konzertes richtig feststellte, ist die Idee, die Festspiele mit Haydns Schöpfung zu beginnen, überaus passend, da man sich zu Beginn jedes Festspielsommers wünscht, dass der Sommer voller neuer Schöpfungen sei. Tatsächlich ist die Schöpfung in mehrerer Hinsicht das ideal Eröffnungswerk, nicht zuletzt wegen des religiösen Themas als erstes Konzert der Ouverture spirituelle, doch auch allgemein als schöpferische Grundsteinlegung des Festivals.
Das dreiteilige Werk behandelt zuerst die Schöpfung der Welt in zwei Teilen, bevor im dritten Teil das glückliche Leben von Adam und Eva im Paradies als thematische Grundlage dient. Das Werk ist für seine Entstehungszeit relativ üppig besetzt mit vergleichsweise großem Orchester (samt Kontrafagott und diversen Blechbläsern), großem Chor und drei Gesangssolisten, die die Rollen der Erzengel Gabriel, Uriel und Raphael sowie später Adam und Eva übernehmen.
In diesem Jahr wurde die Leitung dieses Konzertes dem zukünftigen Musikdirektors der New Yorker Metropolitan Opera, Yannick Nézet-Séguin, anvertraut, der das Werk überaus mitreißend und organisch zu dirigieren wusste. Diverse kleine Details wie zarte Verzierungen und klangliche Effekte wurden aus der Partitur herausgearbeitet und auch der Gesamtklang war glorreich ausbalanciert. Das Chamber Orchestra of Europe spielte wunderbar brillant mit beeindruckend ausdifferenziertem Klang und besonders die Streicher überzeugten mit klarem Spiel. Die verzierenden Umspielungen, besonders im dritten Teil, waren einfach wunderbar und erinnerten teilweise an Vogelgezwitscher oder sonstige Naturimitationen. Unter Nézet-Séguins Leitung spielte das Orchester so ausgewogen, mit grandioser dynamischer Bandbreite von kaum hörbaren Momenten bis zu majestätisch feierlichen Chorszenen und so mitreißend, dass man beinahe das Gefühl, hatte tatsächlich einem Schöpfungsprozess beizuwohnen.
Mit dem Chor des Bayerischen Rundfunkes war ein Chor erster Klasse beteiligt, der sich zweifellos zu den besten Chören Europas zählen darf. Selten habe ich einen so ausgeglichenen, kontrollierten Chor gehört, der in lebhafteren Teilen mit viel Schwung und Leidenschaft und in ruhigeren Passagen zart und zurückhaltend sangen. Besonders der majestätische Schlusschor sorgte in der mitreißenden Darbietung des Chores für den einen oder anderen Gänsehautmoment. Bei den Solisten überzeugte von allem Gerald Finley mit starker Stimme und Schönklang. Er bestach durch sein sonores, warmes Timbre, aber auch durch eine mehr als einwandfreie Diktion, sodass er, auch als einziger Nichtmuttersprachler, mit bester Textverständlichkeit glänzte. Nicht nur die Verständlichkeit, sondern auch die musikalische Umsetzung des Textes war sagenhaft und zeigte, wie wandlungsfähig Finley ist.