1884 nahm Claude Debussy bereits zum dritten Mal am berühmten „Prix de Rome“ teil. Eine gewisse Anspannung konnte der junge Komponist trotzdem nicht ablegen und erwartete die Urteilsverkündung auf der Pont des Arts unweit der „Académie des Beaux-Arts“, die den „Prix de Rome“ verlieh. Als Debussy endlich die triumphale Nachricht erreichte, dass seine Kantate L’Enfant prodigue gewonnen hatte, überwog allerdings mehr die Sorge als die Freude. Er hatte zwar 22 der insgesamt 28 Stimmen für sich gewinnen können und auch der große Charles Gounod gab seine Stimme für Debussys Komposition, dennoch wurden Debussy vor allem die Erwartungen der Académie bewusst. „Mit einem Mal wurde mir blitzartig die Langeweile und der mit der Anerkennung verbundene Ärger klar“, fasste Debussy viele Jahre später seine Gefühle nach der Bekanntgabe des Ergebnisses der Jury zusammen. Er spürte, dass er seine künstlerische Freiheit verloren hatte.
Einst im 17. Jahrhundert von König Ludwig XIV. gestiftet, etablierte sich der „Prix de Rome“ besonders im 19. Jahrhundert zu einem der wichtigsten Preise für bildende Künstler in Frankreich. 1803 wurde der Preis zum ersten Mal auch für Musiker verliehen und avancierte zum Kollektivziel für junge französische Komponisten. Hector Berlioz, Georges Bizet, Jules Massenet oder Charles Gounod gehörten zu der illustren Runde der Träger des Rompreises, in die Debussy nun eintreten sollte.
Debussys persönliche Geschichte mit dem „Prix de Rome“ begann bereits 1882, als der junge Komponist seinen ersten Versuch startete, mit seiner Musik die Jury zu überzeugen. Zwar scheiterte Debussy bereits in der Vorauswahl, ein Jahr später jedoch gelang ihm der Einzug ins Finale. Noch trat Debussy mit seinem ersten Vornamen Achille an und seine Musiksprache hatte noch nicht viel mit seiner späteren gemein, dennoch konnte er überzeugen. Debussy schaffte es ins Finale, in dem die sechs verbliebenen Teilnehmer jeweils eine Kantate für mehrere Gesangsoli und Orchester komponieren mussten. Dabei konnten die Teilnehmer zwischen mythologischen, biblischen oder historischen Sujets wählen. Die Académie gab diese Themen nicht ohne Hintergedanken vor. Im opernverliebten Frankreich war man stets auf der Suche nach jungen Talenten, die neue Beiträge für die Grand Opera leisten konnten. Debussys Finalbeitrag Le Gladiateur rief zwar positive Resonanz unter der Jury hervor, allerdings musste er sich Paul Vidal geschlagen geben.
Viele Jahre nach seinen Teilnahmen an dem „Prix de Rome“ bezeichnete Debussy den Wettstreit als einen „Nationalsport“ – ein Euphemismus für das straffe Pensum, das die Teilnehmer des Wettbewerbs zu leisten hatten. Innerhalb einer Woche mussten die Finalisten ihre Kantate fertigstellen und der Kommission vorlegen. Viel Raum für die Entwicklung origineller Ideen und einer eigenen Klangsprache blieb dabei nicht. Die Komponisten mussten häufig auf konventionelle Schemata zurückgreifen, da auch die Académie zu gewagte Kompositionsexperimente nicht gut hieß. Man kann sich gut vorstellen, wie sehr dies den rebellischen Debussy zur Weißglut gebracht haben musste. Im Falle eines anderen berühmten Kollegen Debussys sollte dieser formale Zwang der Académie einige Jahre später zu einem handfesten Skandal führen. Maurice Ravel nahm fünf Mal erfolglos am „Prix de Rome“ teil. Bei seiner letzten Teilnahme schied er auf Grund zahlreicher Verstöße gegen die herkömmlichen Satz- und Kompositionsregeln bereits in der Vorrunde aus. Sein Fall löste allerdings eine Debatte über den Preis und die Arbeitsweise der Académie aus. Nachdem die Presse den Fall als „Ravel-Affäre“ aufbauschte, musste der damalige Direktor Dubois zurücktreten. Sein Renommee verlor der Preis allerdings nicht.