Ave Maria, Dies Irae und Rituelle Indianergesänge von Orgel und Bratsche als Soloinstrumente mit Orchester gespielt, neue und allerneueste Musik – die ZaterdagMatinee, eine traditionsreiche Konzertreihe des holländischen Rundfunks, bringt all das sinnvoll und erfolgreich in einem Konzert unter. Daniele Gatti, derzeit Chefdirigent des Concertgebouw Orchesters in Amsterdam hatte Flammenschiff, eine kurze Kommentarmusik, 2012 als Chef des Orchestre National de Paris als Gegenstück zu Beethovens Fünfter Symphonie in Auftrag gegeben.
Und ganz richtig, zu Beginn kann man die vertraute Anfangsmelodie der Streicher hören. Auch in der Orchestrierung fiel eine klassische Rollenverteilung zwischen Streichern, Holz-, Blechbläsern und Pauken auf. Das Thema ist beinahe Wagner nachempfunden, nur die Harmonien weisen gelegentlich auf zeitgenössische Musik hin. Es sind hochromantische Wogen mit Anklängen an Beethoven, Brahms und Richard Strauss; Komponisten, die Guillaume Connesson (Jahrgang 1970) bewundert. Das Hilversumer Radio Orchester überzeugte mit warmem, sattem Streicherklang und wunderschönen Geigensoli. Inhaltlich blieb diese Komposition aber leer. Es gab über gefälligen Melodien immer denselben Spannungsbogen und es bleibt die Frage nach dem Sinn eines solch spezifischen, sich auf eine bestehende Komposition beziehenden Auftragswerkes.
Das folgende Bratschenkonzert war eine Uraufführung seines fünf Jahre älteren Landsmannes Thierry Escaisch. Der Titel La Nuit Des Chants bezieht sich genauso wie sein vor einer Woche uraufgeführtes Schwesternstück La Piste Des Chants auf Läuterungsrituale der Navajo Indianer. Es ist dem Solisten Antoine Tamestit gewidmet, der gleich zu Beginn mit einem sehr deutlich anwesenden Ton auf sich aufmerksam machte. Thierry Escaisch hatte sich während des Kompositionprozesses offenbar intensiv mit dem Instrument befasst. Er lässt regelmäßig die sonore leere C-saite spielen und baute viele Doppelgriffläufe ein, die den spezifischen Klang der Bratsche gut zur Geltung kommen lassen.
Tamestit ist ein Solist, der sein Instrument nicht nur außergewöhnlich gut beherrscht, sondern auch vollständig in seinem Spiel aufgeht. Er begann äußerst konzentriert mit geschlossenen Augen, hielt später lächelnd Augenkontakt zu Dirigent und Mitspielern und war auch wenn er pausierte, bescheiden mit der Musik mitbewegend, ein Teil des Geschehens. Die sechs Sätze Die erste Welt, Komm zur Piste der Gesänge, Das Heer der Geister, Sandmalereien, Tränensee und Wirbelwind in den Bergen gingen nahtlos ineinander über. Ein Indianergefühl wurde durch den Einsatz von Trommeln (Tomtoms), Hörnern und Englischhorn bedient, dazu gab es Sechzehntelläufe im Soloinstrument und immer wieder die klangvolle C-Saite. Escaisch lässt die Schlussnoten dieser Läufe von den Trompeten wiederholen und dieser Echoeffekt, der durch den ebenfalls aus Frankreich stammenden Dirigenten Stéphane Denève sehr nahtlos aneinandergefügt wurde, ließ das Bratschentimbre zu etwas beinah Überirdischem verschmelzen.