Das Symphonic Project OWL gehört zu den politisch geförderten und hochsubventionierten Großprojekten, bei denen man sich im Vorfeld fragt, in wieweit die angestrebte Fusion von Sinfonieorchester und Jazzband wirklich den versprochenen musikalischen Mehrwert besitzt. Die Gemeinschaftsidee der sieben ostwestfälischen Städte Gütersloh, Bielefeld, Herford, Bad Salzuflen, Höxter, Paderborn und Minden sorgte am 30. Oktober in der Weserstadt zuallererst für reges Publikumsinteresse und ein ausverkauftes Haus. Schon in den ersten Minuten des Konzerts bestätigt sich ebenfalls, dass an diesem Abend die Kategorien von U- und E-Musik tatsächlich miteinander verschmelzen.
Auf der aus allen Nähten platzenden kleinen Bühne des Stadttheaters ernten die Musiker einen Begrüßungsapplaus, welcher der mehr als sechzigjährigen Karriere Klaus Doldingers Respekt zollt: Ausschließlich seine Werke sind es, die auf der achttägigen Tournee durch Ostwestfalen-Lippe zu hören sind. Das 1967 bereits mit der Nordwestdeutschen Philharmonie uraufgeführte Jazzconcertino vermag auch den letzten Skeptiker zu überzeugen. Das gut zwanzigminütige Stück, einst vom Leiter des Herforder Orchesters Werner Andreas Albert beim Interpreten in Auftrag gegeben, ist von ständig wechselnden Atmosphären gekennzeichnet. Es beginnt mit Glockenschlägen wie von einer nächtlichen Turmuhr, die das Keyboard parallel zu sphärischen Glasorgelklängen produziert. In das stetige Anschwellen des Sounds spielen helle, orientalisch anmutende Flöten und Oboen, bevor dann das gesamte Orchester zeigt, dass es durchaus im Stande ist, wie eine Jazzband zu spielen und zeitweise eine Rhythmik vorlegt, die an „America“ in Bernsteins West Side Story denken lässt.
Der angestrebte Dialog zwischen dem Tenorsaxophon und dem kollektiven Klangkörper bleibt kein frommer Wunsch. Der Interpret kehrt sogar dem Publikum des öfteren den Rücken, um besser mit dem weich spielenden Orchester kommunizieren zu können, manchmal aufmüpfig quäkend, dann wieder, auf dem ebenfalls eingesetzten Sopransaxophon, klagend. Bemerkenswert ist, dass durch die Verstärker und leichten Effekte das kollektive Instrument ganz neue Klangfarben und Präsenz entwickelt. Auch feine Harfen- oder Xylophontöne können so dem Solisten etwas entgegensetzen, bevor es zum ersten Percussion-Duell des Abends kommt, das bei weitem nicht das letzte bleiben wird – mit brasilianischer Batucada, Congas und dem Schlagzeug, das die ihm vorgesetzten Motive imitiert. Selbst der Komponist ist beeindruckt von der Anpassungsfähigkeit der Sinfoniker in diesem Debütstück und gibt Dirigent Leo Siberski und seinem Orchester den Ritterschlag des Jazzordens: „So geswungen wie heute Abend habt Ihr ja noch nie!“
Passport-Ohrwürmer wechseln sich mit gemeinsam interpretierten Stücken ab: Nach Ataraxia, einer weltabgewandte Komposition, nach deren kosmischem Beginn neben dem Sopransaxophon auch die Gitarre Martin Scales zu überzeugen weiß, leitet die Cantilena for tenor saxophone das Kapitel der Filmmusik ein. Ihre Motive haben bereits Oliver Storz' Fernsehfilm der Wirtschaftswunderzeit, Die Frau, die im Wald verschwand, untermalt, und das teilweise rezitierende Saxophon flüstert und grummelt, zeigt Aggressivität, etabliert aber ebenfalls einen harmonischen Dialog mit der E-Gitarre, während das Orchester auch ausnahmsweise einmal einen schlichten Klangteppich erzeugen darf. In diesem Zuge beweisen beim rhythmisch spannenden Passport-Titel Seven to four neben dem Tenorsaxophon vor allem Bassgitarrist Patrick Scales und Keyboarder Michael Hornek, welches Improvisationstalent in ihnen steckt. Zu den vielseitigen Klängen der Suite zur Unendlichen Geschichte, die dem studierten Musikwissenschaftler und Toningenieur Doldinger am meisten bedeutet hat, hebt das Publikum ab und schwebt, Endes Held Atréju auf Fuchurs Fittichen gleich, in die Pause.