Das Berliner Musikfest bildet jedes Jahr den Auftakt in die Berliner Konzertsaison und zeichnet sich durch ein vielfältiges und abwechslungsreiches Programm aus, das nicht nur große Werke der symphonischen Konzertliteratur und der Oper, sondern auch seltener gespielte Stücke und ungewöhnliche Interpretationsansätze auf die Berliner Bühnen bringt. Zwar ist das Requiem von Antonín Dvořák wahrlich kein vergessenes Meisterstück, aber es steht doch in der Häufigkeit der Aufführungen deutlich hinter den Requien von Mozart und Brahms zurück. Wohl auch zurecht, denn in seiner kompositorischen Güte reicht es nicht an diese heran. Gleichwohl ist auch das Requiem von Dvořák erfüllt von feierlicher Pracht, aber auch von der tief empfundenen Ich-Bezogenheit der Reflektion über den Tod.
Gleich zu Beginn des ersten Satzes, dem Requiem aeternam, wurde deutlich: Der Abend sollte vor allem ein Chorfest erster Güte werden. Das Collegium Vocale Gent klang schlicht umwerfend, kompakt und klar, elastisch und transparent, rund und zerbrechlich. Und das stets höchstkonzentriert und bestens vorbereitet. An dieser Stelle sei folglich auch Benjamin Bayl lobend erwähnt, der das Stück offenbar mit größter Sorgfalt einstudiert hat. Im anschließenden Graduale und auch ihren weiteren Solopartien zeigte Julia Kleiter, warum sie eine gefragte Oratorien-, Lied- und Konzertsopranistin ist. Kleiter verfügt über eine weiche Belcanto-Stimme, die sie schlank und präzise in Diktion und Phrasierung mit einer Strahlkraft versieht, die den Hauptsaal der Berliner Philharmonie scheinbar mühelos ausfüllte. Sodann ein zornig-fauchendes Dies irae, in dem der zumeist eher unscheinbare und teilweise etwas unpräzise schlagende Kapellmeister Philippe Herreweghe verstehen machte, warum ihm dennoch eine überzeugende Deutung des Requiems von Dvořák gelang. Er verfügt über einen Gestaltungswillen und eine interpretatorische Autorität, die sich zwanglos auf die Musiker überträgt. Nicht umsonst gilt Herreweghe als einer der wichtigsten Pioniere der historisch informierten Aufführungspraxis und hat neben vielen weiteren namhaften Spezialisten-Ensembles auch das Collegium Vocale Gent aus der Taufe gehoben.