Zwei ganz unterschiedliche Werke erklangen im Berner Münster: zuerst das Concerto funebre für Violine und Streicher von Karl Amadeus Hartmann, in dem der Komponist seinen Gefühlen (und versteckt seinem Protest) zu den Geschehnissen des Zweiten Weltkriegs Ausdruck verlieh. Danach präsentierte Mario Venzago Leoš Janáčeks Mša Glagolskaja in einer rekonstruierten Urfassung. Formal ist dies eine Messe, jedoch eine, die in Dramatik und Expressivität weit über westliche Messevertonungen hinausgeht.
Meine anfängliche Skepsis bezüglich Eignung des großen Kirchenraumes für ein Violinkonzert kammermusikalischen Zuschnitts erwies sich als unbegründet. Die reduzierte Streicherformation des Berner Symphonieorchesters unter der Leitung ihres Chefdirigenten Mario Venzago musizierte auf einem leicht erhöhten Podium im Zentrum des Kirchenraumes, vor dem Chor. Im genialen Beginn zu seinem als „Musik der Trauer“ konzipierten Violinkonzert legt Hartmann mit einem düster fallenden Orchestermotiv aus nur drei Tönen die Trauerstimmung fest. Danach stand die unprätentiös auftretende Solistin, Theresa Bokány, im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sie ist seit 2013 zweite Konzertmeisterin des Orchesters. Von der ersten Note weg faszinierte sie einen mit dem warmen, samtenen Klang ihres Instruments. Sie spielte ganz natürlich im Ausdruck, nie übermäßig expressiv, oftmals schlicht und gar ohne Vibrato. Sie trug das Instrument wunderbar von der Tiefe bis ins höchste Flegeolett und zeigte das feinste Pianissimo – eindringlich die Klage, so berührend der Gesang des Instruments. Als vorteilhaft erwies sich, dass das Orchester nicht begleitete, sondern vielmehr im Dialog illustrierte. Vom Komponisten sehr geschickt disponiert, deckte es auch in gelegentlichen emotionalen Ausbrüchen das Solo nicht zu.
Theresa Bokány meisterte ihren sehr exponierten – und in der Kadenz äußerst anspruchsvollen Part – intonationssicher und mit dem Duktus dieser Musik offensichtlich vertraut. Die Solovioline behält durchgehend Präsenz, trägt die Komposition. Das Orchester übernimmt nur im virtuos-polyphon aufbegehrenden dritten Satz, Allegro di molto, zeitweilig die Hauptrolle. Dabei mangelte es raschen Passagen öfters an Klarheit, und gelegentlich machten sich Koordinationsprobleme bemerkbar. Zum großen Teil war dies auf die hallige Akustik zurückzuführen, in der kleine Notenwerte tendenziell verschwammen. Zudem ist aber Venzagos Schlagtechnik eher auf Dynamik und Phrasierung ausgerichtet denn auf präzise Taktvorgabe. Damit lag ein Teil der internen Koordination in den Händen der Mitglieder des Orchesters, zwischen welchen der gehörmäßige und visuelle Kontakt vermutlich erschwert war. Der Schluss des Werks nimmt die Trauer des ersten Satzes wieder auf: die anrührende Klage des Solos ist untermalt von ernsten, gelegentlich dräuenden Untertönen im Orchester. Das zu selten gespielte Werk berührte unmittelbar, machte beim Gedanken an die Zeit der Niederschrift betroffen.