Eine Symphonie von Gustav Mahler ist immer ein besonderes Hörerlebnis, und wenn dann das Philharmonia Orchestra aus London mit seinem Dirigenten Esa-Pekka Salonen im großen Saal der Elbphilharmonie gastiert, dann ist ein großer Konzertabend schon fast garantiert. Als seien nicht schon genug besondere Attribute gesetzt, war es auch noch die Neunte Symphonie, die in der akustisch charaktervollen Weinbergarchitektur dieses Konzertsaales erklingen sollte, gilt sie doch als kompositorisch ausgefeilteste Symphonie des Komponisten.
Man mag von einer Aufführung dieses Werkes erwarten was man will, einen Abgesang des Gewohnten und Althergebrachten, oder hoffnungsvolle Ausblicke in eine neue Zukunft. Fast schon Voraussetzung für alle Anwesenden war aber eine Konzertsituation, die allumfassend und konsequent interpretatorisch wirken konnte. Das Konzertieren einer Symphonie, und vor allem einer von Gustav Mahler, ist in hohem Maße abhängig von der gestalterischen Arbeit des Dirigenten, und deshalb war im Vorfeld des Konzertes eine gespannte Vorfreude auf die Auslegung Salonens zu spüren.
Gleich im wichtigen, ersten Satz manifestierte der Dirigent schnell mit ausschweifenden Bewegungen seine raumgreifende Stellung und betonte mit vogelgleichen, schwingenden Bewegungen vor allem die ironischen Momente des Satzes. Das Orchester folgte hier und auch den Rest des Abends strikt und akkurat seinen Anweisungen, und war so durchaus bereit, die bestmögliche Interpretationsarbeit zu leisten. Gemeinsam wussten die Künstler, die erhabenen Momente in diesem Satz selbstbewusst, aber dennoch mit Demut und ohne Pathos zu gestalten, und in den Instrumentengruppen bei anspruchsvollen Passagen immer mit einer Stimme zu sprechen. Schon früh am Abend legte Salonen immer wieder den Fokus auf die vielen, etwas chaotischeren Klangkaskaden und gab dann dem dramatischen Zerfall die Bühne, um dann aber gegen Ende des Satzes die Aufmerksamkeit wieder auf Friedvolles zu lenken, unterstützt von den besonders weichen Soli der Stimmführer der ersten Geigen und der Flöten.
Dieses Sprunghafte in der Interpretation blieb leider auch im weiteren Verlauf des Abends bestehen. Gerade dieses Werk profitiert im Vortrag von klaren taktischen Entscheidungen im Vorfeld, und sollte es sie gegeben haben, klar erkennbar waren sie für mich an diesem Abend nicht. Im zweiten Satz, der „Im Tempo eines gemächlichen Ländlers” steht, wurden die vielen verschiedenen Tänze mit einer grundlegenden Schwere gespielt, die vom Dirigenten zwar in der Mitte das Satzes dann doch leicht und beschwingt gefordert wurden. Als bei alldem dann aber die im Werk angelegte Auflösung dieser alten Tanztraditionen nur schemenhaft erkennbar war, fehlte ein roter Faden abermals. Mit den Musikern des Orchesters befand sich ein verlässliches Ensemble auf der Bühne, das aber sich auftuende Interpretationsräume nicht selbständig füllen konnte, lediglich die tiefen Blechbläser wussten hier mit selbstbewusster Eigendynamik positiv zu überraschen.