Obwohl Händel sein Oratorium Messiah nur für die Passionszeit vorsah beziehungsweise selbst aufführte, entwickelte sich bereits zu seinen Lebzeiten die bis heute andauernde, zu einem gewissen Verschieben führende Tradition, das Werk auch wegen des ersten Teils über Jesu Geburt und der großen Beliebtheit – trotz einiger Bedenken und Anlaufschwierigkeiten in London – in der Advents- und Weihnachtszeit zu spielen. Ausgangspunkt davon war nach der Premiere ebenfalls Dublin, von wo aus diese begeisternde Behandlung nach Amerika sowie auf Festlandeuropa überschwappte. So zum Beispiel nach Deutschland und in die Niederlande, wo dieser Zeit Ton Koopman zum fünfzigsten Jubiläum des Carus-Verlages Leser wissen ließ, als 6-Jähriger das erste „Hallelujah“ gesungen und als 16-Jähriger das vollständige Stück am Spinett erlebt zu haben. Unter anderem im Konzerthaus Dortmund war es wieder soweit, dass er es als Dirigent und Rezitativorganist mit seinem Amsterdam Baroque Orchestra & Choir zum Besten gab.
Und da machte sich zum ersten Teil eine Besinnlichkeit in Ansehung des Weihnachtswunders und des in der Krippe liegenden Lichts in der Welt aus darüber befindlicher Unendlichkeit breit, bei der der Abgeklärtheit Koopmans und seiner Amsterdamer Barockgefährten dankenswerterweise nicht die Verlockung der öden Routine anhaftete. Tatsächlich breit eben auch auf die Tempi bezogen, deren Bedächtigkeit im umfassenden, demütigen Dienste der Deutlichkeit stand, denen sich das Orchester dahingehend verschrieb, neben besonders wohltemperierter Wärme durchsichtig oszillierenden Schneid in der Tongebung Einzug halten zu lassen und die behäbigeren Moderati durch auffällig gelungene, disziplinierte, lebensnahe Phrasierung, Betonung und sich zudem in der vorzüglichen Balance spiegelnden Dynamik mit dem nötigen Pfiff zu füllen. In sich ruhend und erwartungsfroh zugleich übernahm der wie üblich von Peter de Groot hervorragend einstudierte Chor diese unerlässlichen Unermüdlichkeiten dabei mit höchster deklamatorischer Klangkultiviert- und diktionsgetreuer Abgerundetheit. Auch die Solisten glänzten aus entspannter sowie entspannender, textgestaltlicher, klarer Stimmführung heraus: Tilman Lichdi in flüssiger, melodiegewandter Eindrücklichkeit, Andreas Wolf mit im stilistischen und dramatischen Rahmen aussingender, berührender Wohltat, Elisabeth Breuer mit kindlich-planer, akkurater Vorsicht und leichtgängiger, Technikklippen umschiffender Entdeckungsfreude, die nie die Gefahr in sich barg, den Ausdruck mit ausladender Opulenz zu ruinieren, und Maarten Engeltjes mit süßlicher, warm-eleganter, klarer Passaggiogeschmeidigkeit.