Wenn „lustig“ im Titel steht, ist das Wort der Volksoper Befehl – ein klassisches Aktgemälde mit strategisch platzierten Löchern, auf Nasen knallende Türen, ein Wäschekorb, in dem Falstaff keinen Platz hat und trotzdem verschwindet, Gugelhupf- und Wurst-Tapeten… die Inszenierung von Nina Spijkers werden Freunde von Slapstick ebenso schätzen wie jene, die die feinere Klinge bevorzugen. Unstrittig ist jedenfalls die Qualität von Otto Nicolais vielfältiger Musik zwischen Tschinderassabumm, feingliedrigen Koloraturen und eleganter Romantik.
Shakespeares Komödie The Merry Wives of Windsor lieferte Giuseppe Verdi den Falstaff-Stoff, den Otto Nicolai rund 45 Jahre zuvor bereits auf die Bühne brachte. Interessanterweise sollte es für beide die letzte Oper sein – allerdings starb der um drei Jahre ältere Nicolai 1849 (ein Jahr nach der „Weiber“-Premiere) mit nicht einmal neununddreißig, während Verdi seinen Falstaff 1893 mit reifen neunundsiebzig auf die Bühne brachte.
In der Umsetzung des Stoffes durch Nicolais Librettisten Salomon Hermann Mosenthal findet man natürlich viele Gemeinsamkeiten zum Verdi-Libretto von Arrigo Boito, aber auch Unterschiede: bei Nicolai fehlen Falstaffs Diener, der eifersüchtige Ehemann heißt Fluth statt Ford, und die zu verkuppelnde Tochter Anna (Nannetta) gehört zum Ehepaar Reich. Frau Reich ist wiederum eine verheiratete Version von Mrs. Quickly, und Falstaff absolviert eine Szene in Frauenkleidern.
Zum Ausgleich haben bei Spijkers die Frauen oft buchstäblich die Hosen an, denn sie legt in ihrer Arbeit den Fokus auf die weibliche Seite der Geschichte und spielt mit Geschlechterrollen. Die Saufkumpane im Wirtshaus sind Frauen mit Bart, wohingegen sich Annas Verehrer Fenton, Dr. Cajus und Junker Spärlich im zweiten Akt in femininen Badeanzügen zeigen dürfen (oder müssen).
Zeitlich angesiedelt wird das Ganze im Jahr 1918, in welchem der österreichische Adel seine Stellung verlor, die Frauen aber das Wahlrecht errangen. Die grundsätzlich gute Idee dahinter ist, die Figur des abgehalfterten Ritters Falstaff in einen größeren Zusammenhang zu setzen sowie eine Analogie zu Anna zu ziehen, die sich in der Wahl des Ehemanns gegen die Eltern durchsetzt. Bei Spijkers und ihrer Kostümbildnerin Jorine von Beek kann das Jahr 1918 allerdings nur Inspiration und nicht Programm sein; denn die beiden haben viel zu viel Phantasie und eigene Meinung, um sich historisch genau festzulegen – erlaubt ist bei ihnen, was Effekt macht und Lacher bringt. Der Nachteil einer solchen Auffassung ist, dass eine ernsthafte Botschaft wie das Transparent zum Thema Wahlrecht am Schluss aus dem Zusammenhang gerissen wirkt – da hätte es bessere Möglichkeiten gegeben, das Thema zu platzieren.
Untergebracht ist die Geschichte auf der Drehbühne, für die die Bühnenbildnerin Rae Smith etwa ein museumartiger Malsaal zum Beginn, oder die bereits erwähnte Tapete eingefallen sind. Nach der Pause blickt man auf eine Kulisse, die von Faninals Heim aus der Schenk-Inszenierung des Rosenkavalier inspiriert zu sein scheint – womit sich interessante Querverbindungen auftun: Sophie im Rosenkavalier ist ähnlich gestrickt wie Anna, Falstaff ohnehin eine Art Ur-Ochs, und Fenton wirkte am besprochenen Abend genauso aus Zeit und Raum gefallen wie der italienische Sänger bei Strauss.