In der vergangenen Woche starb Leonhard Cohen; mit seinem Album You Want It Darker hat er ein musikalisches Testament verfasst. Ganz ähnlich steht es mit Tschaikowskys Sechster Symphonie, die der Komponist nur neun Tage vor seinem Tod uraufführte. Er sagte damals, das Werk sei die beste Komposition, die ihm in seinem Leben gelungen sei, und ist dabei ein tiefschwarzer Abschied vom Leben. Das Orchestre Philharmonique de Radio France mit Chefdirigenten Mikko Franck war mit eben dieser Symphonie zu Gast in München und vollendete das Programm mit Bruchs Erstem Violinkonzert und Ravels Ma mère l'Oye. Gemeinsam mit Violinistin Hilary Hahn führten die Franzosen das Münchner Publikum durch eine Vielzahl an Gefühlen.
Die Mutter Gans ist wohl noch das unverfänglichste Werk des Programms, wenn man nach der Intensität ginge. Bei Franck waren die sieben Sätze alle für sich genommen eine kleine abgeschlossene Geschichte. Der Finne war sehr auf die vielfältigen Details in Ravels Komposition bedacht und stellte die vielen Feinheiten des Werkes heraus und zeigte Ma mère l'Oye sehr differenziert und transparent. Franck scheute sich nicht vor grummelnden, knarzenden Klängen oder mystisch verspielten Momenten. Dabei präsentierten sich die Pariser als Orchester mit edlem und leichtem Timbre, das allerdings auch zu strahlend kernigem Ton anschwellen konnte, wie die Franzosen im letzten Satz, Le Jardin Féerique, bewiesen.
Ravels grazilem Klang gegenüber standen Bruchs deutlich erdigere Klänge in seinem Ersten Violinkonzert. Auch das Orchester stellte vom erzählerischen Ton auf einen sehr energetischen, kantigen Ausdruck um. Hilary Hahn übernahm die Energie des Orchesters für ihre vollgriffigen Akkorde im ersten Satz des Konzerts. Die Aussagekraft, die sie von Beginn an in ihr Spiel legte, nahm man ihr über das gesamte Werk hinweg ab, denn man merkte ihr an, dass es ihr in keinem Moment um ein persönliches Profilieren ging. Hahn stellte die Musik in den Vordergrund und wie sehr ihr dieses Konzert zu Herzen ging, sah man ihr förmlich an. Ihr Ton war sehr klar und gleichzeitig gefüllt mit großer Emotion, die besonders in den lyrischen Momenten des Konzerts zum Tragen kam. Hier zeigte sich ihr feines Gespür für die stimmige Phrasierung und dem schlüssigen Spannungsaufbau.