Gemeinsam mit „November Music“, dem Festival für zeitgenössische Musik in ‘s-Hertogenbosch erteilte das Amsterdamer Muziekgebouw aan’t IJ dem in Paris lebenden niederländischen Komponisten Jan van de Putte Ende letzten Jahres einen Kompositionsauftrag. Die Uraufführung dieses Ensemblewerkes lag in den Händen des Klangforum Wien unter der Leitung ihres ersten Gastdirigenten Bas Wiegers, der kurzfristig für den ursprünglich vorgesehenen Ensemblegründer und Komponisten Beat Furrer einspringen musste. Furrer war mit zwei seiner Kompositionen auf dem Programm trotzdem prominent anwesend. Der Konzertabend wurde komplettiert mit einem Werk für Kontrabass und Ensemble der in Berlin lebenden englischen Komponistin Rebecca Saunders.
Cette agitation perpétuelle, cette turbulence sans but (Diese ewige Aufregung, diese Turbulenz ohne Ziel, Théophile Gautier, 1811-1872) will den Zuhörer bewusst konfrontieren mit der Hektik unserer „modernen Welt, in der alles schneller und schneller geht, gleichzeitig aber alles mehr und mehr still zu stehen scheint“. Van de Putte komponiert zu diesem Zweck nicht nur Musik, sondern schreibt auch Bewegungen vor. Sein neuestes Stück begann schon hinter der Bühne, von wo man ein lautes Flüstern aller 18 beteiligten Musiker hörte. Das Publikum wurde sich so seiner eigenen Geräuschhaftigkeit bewusst und es entstand ein Moment erwartungsfroher Stille, in die hinein das Klangforum Wien seinen eigentlichen Auftritt begann: In ulkig rasantem Laufschritt kamen die Spieler, allen voran Dirigent Wiegers an den vorderen Rand der Bühne. In den einsetzenden Applaus verbeugten sich die Musiker gleichzeitig tief und verharrten in dieser Haltung so lange, bis das Publikum vereinzelt zu lachen begann. Sie nahmen ihre Plätze ein und es folgte auch schon die nächste Aktion: Die zwei Ensembleschlagzeuger standen nebeneinander und flüsterten sich, ihre Hände trichterförmig um den Mund gelegt, aufgeregt etwas zu. Einer von ihnen demonstrierte daraufhin etwas auf einem Instrument, zu dem sich der andere übertrieben tief hinunterbeugte; die Flüsterpartie begann von Neuem.
Dieser Vorgang wiederholte sich so lange, bis der Dirigent eingriff. Nun aber begannen die Holzbläser unverständliche Texte (aus Théâtre des Marionnettes, Edmond Duranty, 1860) zu flüstern, es wurde tutti geräuschvoll umgeblättert und das ganze Ensemble schaute wie von den Händen eines Marionettenspielers gelenkt gleichzeitig nach rechts, links und nach oben. Van de Putte erklärt seine Intention so: „Dies sind Handlungen, die alle während eines Konzertes stattfinden, die wir normalerweise beobachten/wahrnehmen aber ignorieren und die nicht Teil des Diskurses des Stücks sind (im schlimmsten Fall stören sie diesen). Diese zunächst bedeutungslosen Vertreter des täglichen Lebens verlieren ihre Unschuld und bekommen einen unabhängigen, ausdrucksvollen poetischen Wert, nehmen allmählich am musikalischen Diskurs teil, übernehmen das Wort, oder - noch besser gesagt - verwandeln sich in Musik… (wie Thomas Bernhard kleine unbedeutende Dinge zu großen Proportionen anschwellen lässt).“