Nachdem ich das unter Paul Agnew firmierte Gesangsquintett der Les Arts Florissants vor knapp eineinhalb Jahren zum Beginn ihres Carlo Gesualdo-Zyklus' live gehört hatte, verfolgte ich in anhaltender Bewunderung das weitere musikalische Aufschlagen der restlichen Madrigalbücher des schillernden Komponisten. Nun hätte in der heimischen Philharmonie de Paris Nummer sechs jener Bände angestanden, die jedoch beiseite gelegt wurde, um zurückzukehren zu Claudio Monteverdi. Und mit dessen Madrigalen aus dem Vierten und Fünften Buch zu einer musiktheoretischen Besonderheit, die uns heute meistens aus der späteren Barockzeit geläufiger scheint, dem Parodieverfahren, spezieller, der Kontrafaktur. Dabei werden eingebürgerte Melodien profaner Liedkompositionen unter Beibehaltung der zu Papier gebrachten Noten und der Rhythmik durch kirchliche Bestimmungssemantik in geistliche Werke verwandelt. Im gegenreformatorischen Italien des ausgehenden sechzehnten Jahrhunderts tat sich neben Giovenale Ancina für Stücke Palestrinas anschließend der in Mailand beheimatete Schriftsteller und Monteverdi-Bekannte Aquilino Coppini in dieser Tätigkeit hervor. Dessen zu Monteverdis Mantua-Zeiten entstandenen Ab- beziehungsweise Umschriften interpretierten Agnew und seine jetzt zehn Kollegen der vokalen Les Arts Florissants, um die Musik, deren Originaltexte beispielsweise erotische Avancen beschreiben, neu zu lesen.
Dieser weltliche Hintergrund transportierte auch im sakralen Gewand eine wahrhafte Menschlichkeit, die das Ensemble in der Sprache Monteverdis und Coppinis so leidenschaftlich, intensiv und theatralisch besang, dass die Musica tolta da i Madrigali, e fatta spirituale wie die Gospel ihrer Zeit anmuteten. Dramaturgisch in Szene gesetzt wurde die Universitas, Leibhaftigkeit und Verbindung weltlichen Verlangens sowie dem nach dem inneren Kontakt und dem zu etwas Höherem dadurch, dass die Sängerinnen und Sänger im Dunkel des Saals – kreisrund angeordnet – in Dreier-Blöcken von Madrigalen im Wechsel mit Interludien von Florian Carrés Truhenorgel das Mitfühlen von Freude, Glorifizierung und Schmerz ermöglichten. Zusätzlich direkt nähergebracht – obwohl es das durch die hervorragende Textbehandlung, Emotionalität, chorische Kommunikation und absolut brillante A-cappella-Basis von Prägnanz, Homogenität und Präzision gar nicht bedurfte – durch das Voranstellen einer französischen Übersetzung der Texte.