„Plädoyer für einen neuen Blick“ schreibt die Volksoper in ihrem Programmheft zur Neuinszenierung von Der Zigeunerbaron. Das ist ein gutes Motto, gilt doch dieses Werk als Blick auf eine Welt von gestern, wie wir sie nicht mehr haben wollen. Das Wort „Zigeuner“ im Titel ist dabei noch das geringste Problem, schließlich sind diese die Guten in dem Stück. Der Hurra-Patriotismus und die Kriegsbegeisterung bzw. der Umgang damit sind die wahren Herausforderungen, und man hat gut daran getan, Regisseur Peter Lund damit zu befassen. Er setzt sich intensiv mit seinen Stücken auseinander und hat dem Haus bereits drei grandiose Inszenierungen beschert.
Bei Lund wird die Zigeunerbaron-Ouvertüre mit einem Zeichentrick-Video unterlegt, in der die Geschichte des Banats bzw. die Einführung in die Thematik amüsant erzählt wird. Den Höhepunkt dieses Films und die Überleitung ins echte Geschehen (in welcher die Zigeuner gleich zu Beginn per Chor vorgestellt werden) bilden zwei als Doppeladler fliegende Raben, wovon der eine per Pfeil erledigt abstürzt und am Lagerfeuer gebraten wird. Der Zigeunerbaron selbst wird in eine Rahmenhandlung eingebettet, als Theater auf einer Brettlbühne (den roten Flecken auf deren Boden lassen eine Doppelnutzung als Schafott vermuten). Dieser bekannte (aber hier besonders geschickt gemachte) Kunstgriff erlaubt im dritten Akt eine ungewohnte Zuspitzung der Ereignisse: Zunächst gemäß der wahren Kriegsstatistik für tot erklärt, dürfen die Protagonisten „weil man junge Helden nicht sterben lassen kann“ doch ein glückliches Finale erleben.
Zusätzlich nimmt Lund dramaturgische Nachschärfungen an den Figuren vor, beispielsweise hat der offenbar asexuelle Sittenwächter anders als im Original keine Frau verloren, dafür ist Ottokar das Kind Mirabellas, mutmaßlich von einem türkischen Pascha. Das wirkt sinnvoll und ist strenggenommen keine Modernisierung, schließlich bleibt man bei der Handlung mit ihrem Datumsstempel, den ihr etwa die Episode mit dem Werberwein aufdrückt (und die einem heutigen Publikum sicher fremder als etwa die Nachtclubatmosphäre der Csárdásfürstin ist). Gespielt wird auf der Drehbühne rund um eine halbrunde Mauer, wobei dieses Einheitsbühnenbild dank Ausstattung (Ulrike Reinhard) und Videoprojektionen (Andreas Ivacsics) kaum als solches wahrgenommen wird.
Für die originellen Kostüme zeichnet sich Daria Kornysheva verantwortlich, und da sind etwa für Zsupáns weibliche Entourage gelbe Stiefel zu schweinsrosa Petticoat-Kleidern angesagt. Zu letzteren gehören auch ein ausladendes Plastik-Dekolleté und zu Rüsselchen gewordene Nasen. Vermutlich hatten die Chordamen schon angenehmere Kostüme, aber hier hat Schwitzen für die Kunst sogar Sinn – so elegant-amüsant muss man den der Doppelsinn von „schweinisch“ erst einmal umsetzen. Weniger nachvollziehbar ist dagegen die Entscheidung, Saffi in einem nachthemdartigen Hemdblusenkleid zu zeigen.