Wie lebende amerikanische Komponisten ist William Bolcom kein kleiner Fisch. Drei Opern, neun Symphonien, Kollaborationen mit einer langen Liste des Who is Who der Klassikwelt, und eine beeindruckende Liste von Instrumental- und Kammermusik sowie Liedern haben ihm nicht nur einen Pulitzer-Preis eingebracht, sondern auch einen unangefochtenen Platz im Kanon amerikanischer Komponisten. Welch Freude dann, dass Bolcoms McTeague, eine zweiaktige Oper basierend auf Frank Norris' Roman McTeague: A Story of San Francisco (1899) beinahe ein Vierteljahrhundert nach ihrer Uraufführung der Chicago Lyric Opera (1992) auch bei ihrer europäischen Erstaufführung am Landestheater Linz sehr wohlwollend aufgenommen wurde. Trotz einiger inhärenter Mängel schufen die Qualität der Komposition, die musikalische Umsetzung und visuelle Stärke einen denkwürdigen Abend voller munterer und schräger Melodien.
Bolcom ist bekannt für seine Kombination von moderner klassischer Technik und Anklänge von Stilen der Popularmusik. Ob man seinen Stil nun Pasticcio oder Paraphrase nennen will, er war jedenfalls sehr wirkungsvoll. Anstatt Motive oder Material zu entwickeln, um vorauszuahnen oder die Protagonisten und Handlung das Werk hindurch zu charakterisieren, besitzt jeder musikalische Abschnitt in McTeague seinen eigenen, einzigartigen Charakter. Gesegnet sangliche Gesangslinien hängen über verzögerten Streicherklängen oder bewegen sich über einen wiederholten, rhythmischen Orchestergedanken. Die Orchestrierung ist ideenreich, und Blues, Ragtime und Jazz leben Seite an Seite mit glühenden opernhaften Linien und Dissonanz, oft nur getrennt vom Auftritt einer neuen Figur oder einem Szenenwechsel. Obwohl eine solche Fülle an musikalischen Welten manches Mal mit einem Mangel an Einheit droht, ist das Libretto so geradlinig, dass die musikalische Vielfalt ganz willkommen ist.
Der Untertitel der europäischen Fassung lautet „Gier nach Gold“ und war ein weitgehend unnötiger Zusatz, denn es kommen zu keiner Zeit Zweifel über die Morallektion des Stückes. Die eröffnende Wüstenszene, eine Vorausblenden, zeigt einen blendenden goldenen Himmelskörper, unter dem ein ruinierter McTeague (Corby Welch) vor sich hin stolpert und sein trauriges Schicksal besingt. In der zweiten Szene treffen wir seinen besten Freund, Marcus Schouler (Michael Wagner), Schoulers Cousin und Verlobte in spe, Trina Sieppe (Çiğdem Soyarslan), und Magd Maria Miranda Macapa (Karen Robertson). Die vier teilen ihre Erfahrungen mit Gold miteinander und bemerken, dass es alles verändert, was es berührt. Dass Dinge ein böses Ende nehmen und das Gold daran Schuld ist, könnte nicht klarer sein – in die Dinge gehen sicherlich böse aus. McTeague verliebt sich in Trina und heiratet sie, was für Schouler beinahe in Ordnung ist, bis Trina mit einem Lotterie-Ticket 5000 Dollar in Gold gewinnt. Der Abstieg in Betrug, Wahn und gegenseitige Verachtung ist unvermeidlich und endet (Vorsicht, Spoiler!) damit, dass Trina erwürgt wird, die verrückte Marie sich in der Wüste verirrt und die beiden Männer mit Handschellen aneinander gefesselt sind – in Death Valley – tot bzw. durch Austrocknung und Strangulation dem Tode nahe.