Rossini ist noch immer vor allem für seine komischen Opern bekannt, und man kann schnell vergessen, dass er genauso viele „ernste“ verfasst hat. Man kann ihn in der Tat damit rühmen, dass er mit Tancredi, einem seiner frühesten großen Erfolge, uraufgeführt 1813, die Tradition der opera seria ins 19. Jahrhundert gebracht hat. Stendhal beschrieb diese Oper als „Blitzschlag aus dem heiterem Himmel der lyrischen italienischen Oper“, und ohne sie, könnte man meinen, hätten die tragischen Opern von Bellini, Donizetti und Verdi vielleicht länger auf sich warten lassen.
Angesiedelt in Syrakus mit sich bekriegenden Familien, einfallenden Sarazenen und dem kleinen Problem eines missverstandenen Liebesbriefes ist es eine Liebesgeschichte wie gemacht für die Oper. Rossinis Librettist basierte ihr „heroisches Melodrama auf Voltaire, doch erst in der Überarbeitung später im selben Jahr für Ferrara wurde das tragische Ende des französischen Autors wieder eingefügt. Tatsächlich war nur dieses glückliche Ende bekannt, bis die Ferrara-Fassung erst in den 1970ern wieder auftauchte. Cordula Däupers Neuinszenierung für das Mannheimer Nationaltheater wählt pragmatisch aus den verschiedenen Fassungen des Werkes (es gibt noch eine später Mailänder Fassung aus 1813, ebenfalls mit lieto fine), schließt jedoch mit Rossinis verklingenden Streichertremoli als Tancredi tot in die Arme seiner Geliebten fällt – gibt es ein noch dramatischer untertriebenes Ende in der Opernwelt?
Tancredi ist beinahe ein Kammerstück: es gibt nur sechs Solo-Rollen, zwei davon Nebenrollen für Bedienstete, und einen Männerchor. Doch selbst in dieser kompakten Präsentation (der Abend dauert einschließlich Pause kaum zweieinhalb Stunden) gibt es eine Menge Feuerwerk für die Sänger, Herausforderungen, die von allen bewältigt wurden. In der Titelrolle machte Maria Markina mit stimmlichem Reiz wett, was ihr als Kriegsheld an Bühnenpräsenz fehlte. In dieser Hinsicht wurde sie von der unheimlich einnehmenden Amenaide von Tamara Banjesevic in den Schatten gestellt, deren wunderbar texturierter Gesang allen die Schau stahl. Filippo Adami erwies sich in der Rolle des Argirio als agiler lyrischer Tenor, flüssig und präzise in seinen Koloraturen, doch mit beiden Füßen fest am Boden, und er war ein guter Gegenpart zu Orbazzanos eloquentem Bass (Sung Ha).