Es ist noch gar nicht so lange her, da waren Frauen an der Spitze eines Orchesters – noch vorsichtig ausgedrückt – ziemlich dünn gesät, dabei wäre ohne sie die klassische Musik vermutlich schon längst untergegangen. Nun machen Dirigentinnen bei namhaften Klangkörpern endlich Karriere, nachdem im Laufe der letzten hundert Jahre auch Komponistinnen beispielsweise wie die Boulangers, Imogen Holst, Sofia Gubaidulina oder Kaija Saariaho ihren Platz auf prominenter Bühne gefunden haben. Natürlich war ihr Stand beim weiten Blick zurück noch weitaus schwieriger. Der Platz vor oder in einem Orchester war unvorstellbar und die Arbeit als Vertonerin – quasi höfischer Zeitvertreib erwählter Damen – geriet in Vergessenheit, da nichts bis wenig gedruckt wurde. Kein Verleger, keine Verbreitung. Auch der Name Francesca Caccini, von Claudio Monteverdi gepriesene Komponistengröße und bestbezahlte Musikerin am Medici-Hof, ist heute selbst unter eingefleischten Spezialisten Alter Musik kaum zu hören. Ein wenig besser steht es da um Barbara Strozzi und allmählich Louise Farrenc, obwohl – immerhin dem Namen nach am bekanntesten – selbst Clara Schumann oder Fanny Mendelssohn zu wenig gespielt werden.
Als nahezu einzige Komponistin in der Hochzeit des Barocks, die sich wirklich einen Namen machen konnte, blieb Élisabeth Jacquet de La Guerre in Erinnerung und vereinzelt in manchem barocken Programm eines historisch informiert spielenden Ensembles. Schon zur ersten Kulminationsphase der Entstehung der Alte-Musik-Gruppierungen am Beginn der 1980er kamen mit ausgewählten Einspielungen Zeugnisse Jacquets auf den (noch kleinen) Markt. Sie lüfteten musikalische Raritäten, von denen damalige Meister so angetan waren, dass sie Jacquet als „la première musicienne du monde“ bezeichneten (laut einem Epistre de M. de Lully à Mlle de la Guerre). Umso erstaunlicher und qualitätszeugnishafter, tummelte und beäugte sich in ihren Jahren am französischen Hofe doch alles, was Rang und Namen hatte. Vermutlich war die Produktion einer solchen Ausnahmeerscheinung aber gerade nur in diesem Umfeld, in dem es sich zu behaupten galt, und unter der Regentschaft des musikbegeisterten Ludwig XIV. denkbar, für den sie erstmals im zarten Alter von fünf Jahren am Cembalo vorspielte. Zeitlebens vergaß sie dessen Förderung nicht und so widmete sie ihm alle entstandenen Werke.
In den Anfangsmonaten des Jahres 1665 hatte Élisabeth Jacquet das Licht der Welt erblickt, lediglich ihr Taufdatum vom 17. März ist uns bekannt. Und gleich mit in die Wiege wurden ihr ihre musikalische Bestimmung und ihr Talent gelegt, waren ihr Vater Claude Organist und ihr Onkel ein bekannter Instrumentenbauer. Wie ihre drei Geschwister auch selbstverständlich im Tastenspiel unterrichtet, bestand Jacquet ihr höfisches Debüt, sodass Ludwigs Mätresse Madame de Montespan sie unter ihre Fittiche nahm. Im Alter von acht bis dreizehn Jahren verschaffte sich Jacquet bereits beachtlichen Ruhm durch einige Konzerte am Hof in Versailles und bei Hausaufführungen bis ins städtische Zentrum nach Paris, wo sie auf den Organistenkollegen Marin de la Guerre getroffen sein muss. Er wird ebenfalls vernommen haben, dass sie die „schwierigsten Stücke vom Blatt singe und spiele, aus dem Stegreif accompagniere und komponiere“. Am 23. September 1684 folgte ihre Heirat und der Umzug in die Pariser Wohnung, in der sie fortan erfolgreich Cembalo unterrichte und eigene Hauskonzerte veranstaltete.