Sechzehn Jahre ist es her seit Antonio Pappano das letzte Mal am Pult des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks stand. Nun kehrte der Brite endlich wieder zurück und widmete den ersten Teil des Programms dem Jubilar Leonard Bernstein, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Neben dessen Zweiter Symphonie stand außerdem die Zweite vom russischen Spätromantiker Sergej Rachmaninow auf dem Programm. Zwei Zweite Symphonien, die unterschiedlicher nicht sein könnten und dennoch gut zusammenpassten.
Bernsteins Symphonie, die das Versepos „Age of Anxiety“ des britischen Lyrikers Wystan Hugh Auden musikalisch verarbeitet, ist Ausdruck der Gefühlswelt nach dem Zweiten Weltkrieg. 1949 uraufgeführt, inszenierte Bernstein eine dramatische Symphonie, die angelehnt an Vorbilder wie Hector Berlioz' Symphonie fantastique von Existenznöten und Einsamkeit erzählt. Sie handelt von drei Menschen, die sich zufällig in der Kneipe treffen und ins Gespräch kommen. Doch wirklich näher kommen sie sich nicht und verlieren sich in der Oberflächlichkeit ihrer Gesellschaft, angereichert durch viel Alkohol.
Den exponierten Klavierpart übernahm Kirill Gerstein, den das Münchner Publikum bereits in der vergangenen Saison mit dem gleichen Werk in Begleitung der Münchner Philharmoniker erleben konnte. Der Amerikaner mit russischen Wurzeln wandelt seit Beginn seiner Karriere zwischen der Klassik- und Jazz-Welt und erwies sich auch mit dem BRSO als kluge Besetzung für Bernsteins Werk, das ebenfalls große Jazzeinflüsse aufweist.
Gerstein interpretierte die Symphonie mit technischer Brillanz und überlegener Leichtigkeit. Das Jazz-Trio im zweiten Teil ließ Gerstein grooven, gleichzeitig blieb er hintergründig und gestaltete die Variationen des ersten Teils überlegt und mit dramaturgischer Spannung. Pappano gestaltete seine Interpretation der „Age of Anxiety“ sehr temperamentvoll und entlockte den BR-Symphonikern satte Klänge. So entwickelte sich die Symphonie zu einer kontrastreichen Interpretation, die zwischen detailreichen kammermusikalischen Szenen und dissonant-scharfen Klangausbrüchen oszillierte. Pappano entfaltete dabei die Musik mit ungeheurer Intensität. Während die Klarinetten ihren Dialog zu Beginn meisterten, schloss die Symphonie mit einer Klangapotheose in bester Mahler-Manier.