Um groß besetzte Orchesterwerke machen Veranstalter in Pandemie-Zeiten gern einen Bogen. Symphonische Reduktionen ins Kammermusik-Format sind in Mode, wie anders könnten auf manchen Podien geltende Abstandsregeln eingehalten werden? Doch wer möchte wirklich eine Alpensinfonie für 13 Instrumente hören? Jakub Hrůša und seine Bamberger Symphoniker bekennen sich zum Breitwand-Klang: sie wollen auch in Corona-Zeiten mit gebührenden Hygienemaßnahmen großformatige Sinfonik den derzeit zugelassenen 200 Hörern im Saal bieten, so der Intendant Markus Rudolf Axt im Gespräch. Sie haben mit dem Joseph-Keilberth-Saal der Regnitz-Konzerthalle einen optimalen Raum, dessen zentrales Orchesterpodium ausreichend Platz bietet; mit einer geringfügigen Podiumserweiterung können sogar die von Strauss für seine Alpensinfonie vorgesehenen 100 Musiker abstandsgerecht, doch ohne musikalische Distanz platziert werden. Eine Konzertreise in Hrůšas Geburtsstadt Brünn musste man allerdings absagen; die Hörer dort werden das Konzert im Livestream erleben können.
Richard Strauss' Alpensinfonie kann als Prototyp tonmalerisch bestimmter Programmmusik gelten. Die 22 erklärenden Teilüberschriften des einsätzigen Werks beschreiben die Stationen und Gefühle einer alpinen Bergtour, wie sie der Komponist in Garmisch auf den Gipfeln vor seiner Haustür erlebt haben mag. Sie gliedern aber auch großflächige Tempo- und Ausdruckskontraste und verbinden so faszinierend „Malerei und Empfindung“ (frei nach Beethoven), indem sie „das Erwachen heiterer und ängstlicher Gefühle beim Anstieg in die Bergwelt“ in Klang setzen. Für ein riesiges Orchester hat Strauss seine symphonische Dichtung komponiert, und neben allerlei Instrumentalverdopplungen (u.a. 8 Hörner!) kommen Windmaschine und Donnerblech, Herdenglocken und Orgel zum Einsatz.
Aus schleierndem Dunkel der Nacht erhoben sich, in murmelnden Posaunen und raunenden Streichern zuerst, mehr erahnt als hörbar die Umrisse des Bergmassivs, das bei blendendem Sonnenaufgang von den gleißenden Fluten festlicher Fanfaren getönt wird – ein überwältigender Eindruck für den Bergwanderer. Satt und sonor gaben die Celli den zügigen Wanderschritt vor, und beim Eintritt in den Wald kamen die Flöten mit Vogelgezwitscher und eine Hörnergruppe hinter der Bühne mit Jagdmotiven zu Klang. Am Wasserfall waren die funkelnd fallenden Tropfen als Tonkaskaden der helltönig und seidig elegant spielenden Streicher voller Zauber, und da tauchte in der Spiegelung der glitzernden Wassermassen-Cluster eine Erscheinung aus flirrenden Tonhöhenstrukturen und Klangfarben auf. Nach allerlei Gestrüpp, Gletscher und Gefahren ist der Wanderer auf dem Gipfel, wo als erste, gleichsam demütige Reaktion auf deren Majestät eine herrlich stille, introvertierte Oboenmelodie erklingt (traumhaft erzählt von Barbara Bode). Dass das gloriose Gipfelglück auch ein Rauschzustand ist, mit vollgesogenem Brustkorb und weit geöffneten Armen, demonstrierten Symphoniker und Hrůša in gewaltigen Fortissimo-Eruptionen: atemberaubend und grandios wie beim echten Bergerlebnis.