Mit Hamlet von Ambroise Thomas begann die Oper in Göteborg ihr Mitfeiern am Shakespeare-Jahr 2016 und ließ die französische Musik unter der Leitung von Henrik Henrik Schaefer richtig strahlen. Trotz der Popularität der literarischen Vorlage gehört das musikalische Werk von Thomas zu den seltener gespielten Opern unserer Zeit, und dennoch klangen viele der gespielten Melodien bekannt und schufen eine Atmosphäre der Vertrautheit.
Dirigent Schaefer hob den lyrischen Charakter der Musik stets in den Vordergrund und schuf ein spannendes Konstrukt für die verworrene Geschichte um den dänischen Prinzen Hamlet. Schon in der Ouvertüre wurde seine individuelle Lesart deutlich: Das dramatische aufsteigende Hauptthema zu Beginn gestaltete er mit ausgefeilter Dynamik noch bedrohlicher und ließ Hörner und Posaunen klar am Gipfel der Melodie aufleuchten. Im nächsten Moment führten die Streicher mit weiten legato-Bögen zu weichem Ton über, bevor schließlich auch die Stimmen einsetzten, und auch die Vorspiele zu den weiteren Akten gestalteten die Musiker des Göteborger Opernorchesters unter Schaefer mit derselben sanften Eindringlichkeit.
Die Szenerie und Wahl der Requisiten waren schlicht gehalten und erzählten die Geschichte doch deutlich verständlich. Unter der Regie von Stephen Langridge und dem Design von Samal Blak wurde die Oper in unsere Zeit verlegt; Hamlet wurde als rebellierender Sohn einer modernen Monarchenfamilie dargestellt, der sich zwischen der realen und überirdischen Welt zu verlieren scheint. Im Konflikt der Anweisungen seines Geistervaters und der irdischen Liebe zu Ophelia wird die Stabilität seines Charakters in der Inszenierung immer mehr in Mitleidenschaft gezogen. Aus unserer Zeit stammt auch die politische Komponente dieser Produktion, als das Feiern des Frühlingsanfangs der Bauern zu Beginn des vierten Aktes als eine aufkeimende Revolution der dänischen Bevölkerung ausgelegt wurde.
Eine Besonderheit der Produktion ist das zweigeteilte Finale: während an manchen Abenden das ursprüngliche, für Paris komponierte Ende gespielt wird, ist an anderen der für London angepasste Schluss zu hören. Thomas schrieb in der letzteren Fassung Hamlets Tod zurück in das Geschehen, womöglich, um die Briten nicht mit einer Verfremdung ihres Landesdichters zu vergraulen. Der fünfte Akt war allerdings auch der einzige, der sich nicht so recht in das Regiekonzept der restlichen Oper einfügen wollte. In einem Leichenschauhaus wirkte der Trauerzug um Ophelia fehlplatziert und makaber, Hamlets Gemütsschwankungen noch extremer, doch Thomas Oliemans glänzte in der Rolle des grüblerischen Titelhelden.