Der Komponist Georges Aperghis erzählt keine herkömmlichen Geschichten. Im von ihm ins Leben gerufenen Atelier Théâtre et Musique wird ein Thema, im Falle seiner neuesten Kreation Die Erdfabrik die Bergbaumine, von verschieden Seiten gleichzeitig beleuchtet. Die Ebenen von Musik, Sprache, Gestik, Mimik oder Video entwickeln sich am Anfang der Produktion unabhängig voneinander. Aus all diesen Ausdrucksmitteln erstellt Aperghis, der bei der im Landschaftspark Duisburg-Nord uraufgeführten Produktion bei der Ruhrtriennale auch die Regie führte, eine vielstimmiges abstraktes Bühnenkunstwerk. Sprache und Körper, Kommunikation und Interaktion stehen für ihn im Mittelpunkt. Der Zuschauer wird angeregt, sich aus dem anspruchsvollen Puzzle von unterschiedlichsten Momentaufnahmen, auf die Suche nach seiner eigenen sinnlich stimmigen Geschichte zu begeben.
Der französische Schriftsteller und Poet Jean-Christophe Bailly hat die Libretto-Texte zusammengestellt. Zwei eigene Gedichte sind darunter, die von den vier Musikern, die sich teilweise selbst auf ihren Instrumenten begleiten, zitiert werden. Der beeindruckendste Text, Die Erzstufe, kommt von der in Westfalen geborenen Annette von Droste-Hülshoff. Ihr lautmalerisches, nach fast 200 Jahren immer noch sehr modern anmutendes Gedicht beschreibt in düsteren Bildern die Gefahren der Arbeit unter Tage. Drostes Erz-mine ist bevölkert mit Gnomen, Kobolden und Molchen und „Irrwischflämmchen“ flackern in der unheimlichen Dunkelheit ihrer rabenschwarzen Schächte.
Weite Strecken der Partitur gehören den fünf Musikern allein. Die zwei Schlagzeuger Christian Dierstein und Dirk Rothbrust beherrschen mit ihrem reich bestückten Instrumentarium die Bühne. Am beeindruckendsten ist ein fast zwei Meter großes mit Steinen gefülltes Holzkreuz, dessen aufeinander prasselnde Steine einen zum Thema passenden Höllenlärm verursachen.
Donatienne Michel-Dansac steht im Zentrum der Bühne. Ihr stehen nur spärliche Requisiten zur Verfügung: ein Tisch und ein Fensterrahmen, in dem sie ein Rollo mit einer darauf gemalten sonnigen Berglandschaft hochzieht, subtil ausgeleuchtet von Daniel Lévy. Ein anderes Mal sieht man vor demselben Fenster nur ihre angestrahlten Hände die graziös einen Finger-Handflächentanz aufführen. Ihre hohen mikrotonal sich verschiebenden Silbenschreie wirken leidvoll und verstörend, vor allem wenn minutenlang nichts anderes geschieht. Der Trompeter Marco Blaauw hat ähnliche Passagen, in denen er seinem Instrument virtuos Geräusche entlockt, die niemand bei einem Blechblasinstrument vermuten würde. Sophie Lücke am Kontrabass steht ganz vorn am Bühnenrand und beherrscht ihr Instrument in allen Höhen- und Wetterlagen.