Dorfgegend, Berge, Wald, und Getreidefelder irgendwo in der Provinz – mehr sieht das Libretto von L'elisir d'amore nicht vor. Angesichts der Tatsache, dass das Geschehen auch noch vor fast zweihundert Jahren spielt, Donizettis Oper wurde 1832 uraufgeführt, hat das zahlreiche Regisseure unserer Tage dazu veranlasst, einen moderneren Schauplatz zu suchen – einen Badestrand, einen Wellness Spa, auch die Arbeitswelt zwischen Lagerhallen. Schließlich findet Liebe – ob erträumt oder tatsächlich erfüllt ^ zu allen Zeiten und überall statt, und um solche Liebe geht es in der Oper.
Für ihre Inszenierung an der Oper Stuttgart wählt Regisseurin Anika Rutkofsky eine riesige Laboranlage unter Glasdach. Hier experimentiert die Heldin Adina, bei Donizetti eine „reiche und launische Pächterin“, mit modernen chemischen Möglichkeiten, Wachstum zu befördern. Das ist nicht einfach ein weiterer Versuch, die alte Oper in modernem Ambiente anzusiedeln, es macht sie in Zeiten, in denen in der Landwirtschaft Gentechnik eingesetzt wird, aktuell und greift vor allem zwei Aspekte der Oper auf: Zum einen die Abgeschiedenheit der Lebenswelt dieser Figuren, die bei Donizetti kaum je eine Großstadt gesehen haben dürften und hier unter der Glasglocke des Labors gefangen sind. Vor allem wird hier der Titelbegriff der Oper auf das ganze Leben angewandt – der Versuch, die Natur zu beeinflussen, sei es die der Pflanzen, sei es die der menschlichen Gefühle wie der Liebe.
Dass es mit ihr, zumindest was den jungen Nemorino betrifft, nicht zum Besten bestellt ist, macht Rutkofsky in diesem aseptischen Ambiente gleich zu Beginn deutlich. Während die Chefin Adina auf einer Metallbrücke unter dem Glasdach ihres Laboratoriums die Versuche chemisch kontrolliert, lässt der unsterblich in sie verliebte, doch von ihr nicht sonderlich beachtete Nemorino die Töpfe mit frischer Pflanzenerde auf den Boden fallen.
Ähnlich witzige und überzeugende Regieeinfälle blitzen auf, wenn Dulcamara seinen Auftritt hat, der großsprecherisch seine minderwertigen Waren anpreist und hier als Schatten überlebensgroß seine Ankunft an einer Fensterwand ankündigt. In solchen Momenten erwächst szenische Handlung aus den Charakteren und ihren Lebensbedingungen heraus.
Ansonsten jedoch lässt Rutkofsky die Figuren weitgehend statisch agieren. Schon lange wurde an der Oper Stuttgart nicht mehr derart systematisch an der Rampe gesungen. Wenn Dulcamara mit seinem Warenkoffer seine Wundermittel anpreist, steht er vorn an der Bühnenkante und wendet sich dem Opernpublikum zu, derweil die Bevölkerung, respektive die Laborbesatzung, in Reih und Glied hinter ihm steht. Wenn der Chor aktiv werden soll, etwa als Dorfbevölkerung, die das Gerücht von Nemorinos unerwarteterer Erbschaft in Windeseile verbreitet, fällt der Regie nicht viel mehr ein als das aus Stummfilmen bekannte übertriebene Repertoire an Gestik und Mimik. So wird Oper leicht zu einer Art unfreiwilliger Selbstparodie.