Die Musikgeschichte ist nicht selten durchzogen von einer seltsamen Ironie, einer Ironie, die Gewinner letztlich als Verlierer erscheinen lässt und umgekehrt. Nicht oft aber ist es der Fall, dass ein Werk, das zu den großen Triumphen eines Komponisten zählt, zeitgleich auch als ein großer Misserfolg in die Geschichte eingeht. Doch genauso verhält es sich bei der Oper Xerse von Francesco Cavalli, die in einer konzertanten Fassung am Theater an der Wien unter Leitung von Emmanuelle Haïm zu erleben war.
Von Italien nach Frankreich, von einem Dramma per musica zu einer Comédie en musique, und das zu allem Unglück auch noch mehr oder weniger improvisiert als Notlösung, so lässt sich in Kürze die Situation umschreiben, die ein gefeiertes Meisterwerk zum formidablen Misserfolg werden lässt. Aber eigentlich hatte alles ganz anders angefangen. Schon kurz nach der erfolgreichen Uraufführung am 12. Jänner 1654 (nach venezianischer Zeitrechnung 1655) war die Oper von Francesco Cavalli und seinem Librettisten Nicolò Minato in Genua, Neapel und Palermo nachgespielt worden.
Dies kann als voller Erfolg für ein Werk dieser Zeit gewertet werden, zumal das Gespann von Dichter und Musiker auch internationale Bekanntheit errungen hat. Gerade aus der Berühmtheit Cavallis entspringt dann auch der Grund für den Misserfolg von Xerse, denn als er eine Oper für die Hochzeit des französischen Königs Ludwig XIV. und der Infantin Maria Theresia von Spanien 1660 schreiben soll, geschieht die Katastrophe: Als er mit der noch unfertigen Partitur der Oper Ercole amante in Paris ankommt, sind die Bedingungen nicht wie ausgehandelt. Das für diese Oper speziell erbaute Theater ist nicht fertig und daher muss, da sie bestimmte technische Bedingungen verlangt, ein Ersatz her. Diesen bot eine auf die französischen Verhältnisse angepasste Fassung der Oper Xerse mit Balletteinlagen von Jean-Baptiste Lully, die nicht zuletzt aufgrund der Sprachproblematik und der italienischen Stilmischung zum extremen Misserfolg wurde.
Ganz und gar kein Misserfolg ist nun die – um die Balletteinlagen Lullys und um den Prolog gekürzte – Aufführung dieser Pariser Fassung durch ein glänzendes Sängerensemble und dem Orchestre du Concert d'Astrée unter Emmanuelle Haïm geworden. Gelungener kann man sich ein Hausdebüt, dass das Orchester und seine Leiterin mit diesem Konzertabend begingen, kaum vorstellen. Dabei war es ein Vergnügen, ihnen zuzuhören. Die Tempi waren nicht nur ausgewogen gewählt, sondern hauchten der tragikomischen Handlung ein Leben ein, das anzustecken vermochte. Ansteckend wirkte auch das Dirigat von Emmanuelle Haïm, die die Aufführung vom Cembalo aus leitete. Es war nicht nur eine Freude, ihr zuzuhören, sondern auch zuzuschauen. Man sah ihr an, mit wie viel Energie und Pathos sie Bögen gestaltete, Melodien imaginierte und die Musikerinnen und Musiker damit zu Höchstleistungen antrieb.