Wer je aus dem Urlaub kam und staunte, dass ein Zierkürbis binnen zehn Tagen vom Beet auf ein Garagendach, auf einen Telefonmasten und weiter bis zum Gehsteig wachsen kann, der bekommt Respekt vor Gartenpflanzen. Besonderer Respekt gebührt Gemüse, wenn es auf dem Kopf Wurzeln und eine Krone trägt, und in einer komischen Zauberoper von Jacques Offenbach singt. Respekt auch der Volksoper, die (zusammen mit der Staatsoper Hannover) König Karotte aus dem Acker der vergessenen Operetten gezogen hat. Dem Jubel am Premierenabend zufolge kann man ihr zu einem Hit gratulieren.
König Karotte (Le Roi Carotte) ist eine Revue über den Partyprinzen Fridolin und seine Entourage, der von einer Karotte gestürzt wird, und den Ausweg aus dieser Misere in einem Selbstfindungsumweg über das antike Pompeji und einen Ameisenhaufen sucht. Das alles klingt trotzdem alles andere als blöd – weil es eben von Offenbach ist, und eine Politsatire über die Wankelmütigkeit der Massen. Vielmehr wird man musikalisch überrascht: Da erinnert die Ouvertüre ein bisschen an Pirates of the Caribbean und leitet mit einem Walzer zu einer bierseligen Szene über, in der Schuhplattler-Rhythmen „Oans, zwoa, g’suffa“-Stimmung machen. Bald darauf tritt eine von einer Drag Queen-Hexe gefangene Schönheit auf (komisch und koloraturensicher wie immer: Johanna Arrouas), die schon ein wenig die Puppe Olympia aus Hoffmanns Erzählungen vorwegnimmt. Wie Offenbach eine Dampflok oder eine niesende Karotte komponiert, ist genauso hörenswert wie Fridolins Liebesarie im vierten Akt, die unweigerlich an Schubert denken lässt (die Ameisen grüßen überhaupt mit „Hojotoho“). An dieser Stelle sei auch dem Übersetzer Jean Abel für seine köstlichen Reime, sowie Guido Mancusi und dem Volksopernorchester für die schwungvolle musikalische Umsetzung gedankt.
Alle Darsteller (der umfangreiche Programmzettel listet knapp dreißig Solisten auf, die mitunter Doppel- und Dreifachrollen haben), zeigten am Premierenabend stimmlich wie schauspielerisch ihre beste Seite, nur Amira Elmadfa als Fridolins guter Geist Robin kämpfte anfangs mit der Intonation. Derlei geht in diesem Stück aber fast als Effekt durch. Besagter Robin ist Student und eine Art Schutzengel für Prinz Fridolin, der von Mirko Roschkowski hinreißend gespielt und gesungen wird. Das It-Girl Kunigunde, das er aus Budgetgründen heiraten muss, wird von Julia Koci so stimmschön wie kapriziert dargestellt; leider ist es aber mit den beiden aus, bevor es richtig anfängt: Schnell erliegt Kunigunde der karottenroten Seite der Macht: Der neue Lover ist niemand geringerer als König Karotte himself. Als dieser begeistert Sung‑Keun Park, der mit etlichen Countertenor-Tönen Witz und Mut beweist – auch er lässt keine Wünsche offen.