Der Schriftsteller Necati Öziri beschreibt in seinem Vorwort zur diesjährigen Zürcher Theateradaption vom Ring der Nibelungen seine ersten Erfahrungen mit dem Gesamtkunstwerks Richard Wagners: „Du musst im Prinzip schon vorher wissen, worum es geht. Entweder weil du ständig hier bist oder weil du Musikwissenschaften studiert hast oder dein Vater dich als Kind mitgenommen oder weil deine Mutter es dir vorgelesen hat, whatever… Aber nur so kannst du part oft the game Mythos sein. Es ist wie ein Codewort an der Tür des Clubs, das du brauchst um reinzukommen. Nur du kriegst es leider erst, wenn du schon ein paar Mal drin warst.”
Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Dieser Ring von Starregisseur Christopher Rüping ist ein enorm wichtiger intelligenter Kommentar zu dieser Oper der Opern. Beim Schauspielhaus Zürich (nun zu Gast beim Holland Festival) hat Rüping auf der Basis von Öziris Text Wagners berühmte Operntetralogie tiefgründig und einfühlsam zeitgemäß inszeniert.
In dieser dreieinhalbstündigen Theatershow erzählen nun Erda, Alberich, Brünhilde, Fasolt und Fafner, Fricka, Wotan und der Waldvogel stimmgewaltig ihre bei Wagner unterbelichteten Geschichten. Erwartungsgemäß ist auch von Wagners Originalmusik kaum etwas übrig geblieben. Der Berliner DJ Black Cracker, der (zusammen mit Jonas Holle) für die Musik verantwortlich ist und während der gesamten Aufführung auch schauspielerisch aktiv auf der Bühne steht, hatte im Vorfeld acht Musiker mit unterschiedlichen Hintergründen eingeladen, ihre eigene Interpretation der Ringmusik beizutragen. Die Musikartisten Born in Flamez, Gil Schneider, Simonne Jones, Leo Luchini, Legion Seven, P.A. Hülsenbeck, Isa GT und Ixa hatten daraufhin mit ihren individuellen Sounds und Songs eine gemeinschaftliche Partitur geschaffen, die keine affirmative Hommage darstellten, sondern im Gegenteil all jenes dekonstruieren und aufbrechen, wofür Wagner mit seinem Lebenswerk steht: Zusammenarbeit statt Geniekult und Offenheit statt Abgrenzung. In der so entstandenen elektronischen Bühnenmusik erklingt heutige Musik von Ambient über Pop und Reggaeton bis hin zu einer breiten Palette nicht-westlicher musikalischer Klänge.