Der verbreitete Mythos von Salieris und Mozarts Feindschaft gilt als endgültig überholt, zeigen Dokumente ihre einander Wertschätzung, sogar ihr Zusammenwirken. Dennoch hat Rivalität einen Platz in der Geschichte, die allerdings Mozarts gestrengen Vater Leopold betrifft, der Salieri gerne sagte, dass er von seiner Arbeit nicht allzu viel hielt. Unter anderem von seiner Komödie La fiera di Venezia, „die mir Wehe thut; weil sie in d[er] That, was die Musik betrift, voll d[er] ausgepeitschtesten gemeinsten Gedanken, altvätterisch, gezwungen und sehr leer an Harmonie ist: die einzig Finale sind noch erträglich: […]“. Das Publikum von 1772 und noch weit danach sah es anders und hatte seinen Spaß an diesem von Giovanni Gastone Boccherini auserdachten humoristischen Kuriositätenschmöker, den Werner Ehrhardt und sein L'arte del mondo nach der neuzeitlichen Premiere bei den Schwetzinger Festspielen jetzt auch an ihrer Heimstätte bei Bayer Kultur in Leverkusen halbszenisch wiederaufführten.
Auf dem Marktplatz begegnen sich traditionell Menschen aller Schichten, seiner Zeit vor allem im liberaleren Venedig; besonders bunt ging es zur Himmelfahrtsmesse zu, Karneval, Ausstellungen, Bootsparaden und Jahrmarkt zusammen. Dann trieben sich allerhand Leute herum, freilich nicht so abartig überfüllt viele wie heutzutage, doch überspitzt solche des Librettos: ein reicher Blaublütler und seine Verlobte, ein vielbeschäftigter Gastwirt, Liebhaber und eine furiose Liebhaberin, verteilt auf die gesellschaftlichen Stände, eine Geschäftemacherin und ein alter, nörgelnder Dummkopf. Es gibt Verkleidungen im Spiel um Treue, an dessen Schluss alle zueinanderfinden; es siegt die Güte der Frauen und des mächtigen Herzogs, freudiges Heiratsgemenge, Finale grande am Canale grande. Fertig ist die Besetzung für eine traditionelle Opera buffa, ein lustiges Stelldichein, aufgestellt von Regisseurin Deda Cristina Colonna vor dem Bild der Piazza di San Marco.
In die Szenen führte der Chor ein, der als Schar der Handelsvertreter zu Beginn noch etwas zaghafter seine Waren feilbot, somit ein paar Requisiten auf die Bühne brachte, die man ansonsten gar nicht vermisste. Denn farbreich präsentiert sich ja die Handlung, zu der eigentlich alle Akteure in schlichtem Schwarz erschienen waren, doch unterstrich dies zugleich die etwas schlichten Charaktere, auf die Häme und Schadenfreude fiel. Vermutlich ist es deshalb so verständlich, dass sich die Oper dieser Beliebtheit erfreute. So dumm können immer nur die anderen sein! Und was sie eigentlich waren, veranschaulichte ziemlich schnell die stattfindende Lotterie, in der sich gegenseitig alle so naiv ehrlich als Betrüger, Geldmacher und -Hinterherläufer, Egoisten und Dösbaddel bezeichneten, dass einem das Ganze bis dahin sehr plakativ vorkam. Auch wenn es das Libretto betrifft: hatte Leopold Mozart also doch ein bisschen Recht?
Zum Glück muss man sich darüber nicht wirklich Gedanken machen, es zählt die Vorstellung. In der wurde der Chor immer präsenter und griffiger, beim Glückspiel fast packend übergriffig ob der Reaktion auf das Geschummel des Grifagno, dessen ehrzgeizige Rolle Furio Zanasi routiniert ausfüllte. Die Chortruppe rief lustvoll zum Maskenball, sitzend wie bei der Reise nach Jerusalem, aufgefächert in der Attacke, wenn sie die Stimmung der aufgedröselten Intrigen zu diesem Spieleabend wiedergab. Am Ende saßen die Frauen, die Herren standen wie die tüchtigen Gondolieri, die die Damen und die Hochzeitsleute zu Wasser kutschierten, und tönten prächtig vom Fest der glücklichen Eintracht.