Am Ende ist der König erschüttert. Ein Heulen entringt sich seiner Brust, ganz wie es die letzten Zeilen von Peter Maxwell Davies' Bühnenstück Eight Songs for a Mad King vorsehen: „He will die howling, howling, howling“ – und der Librettist Randolph Stow fügt drei Punkte an, Punkte, die Regisseur Stefano Simone Pintor am Ende seiner Inszenierung für das Opernunternehmen OPERA2DAY sehr genau nimmt. Bei ihm will das Heulen kein Ende nehmen – und damit hat er eine erschütternde Deutung des letzten dieser acht Songs vorgenommen, denn in dieser Strophe redet der König – es handelt sich um Georg III. von England, der 1810 wegen geistiger Zerrüttung des Amtes enthoben wurde – nicht wie in den sieben vorangegangenen eher wirr vor sich hin, hier wird er plötzlich erstaunlich klar. Er gibt ein Porträt von seiner Erkrankung ab, als er ununterbrochen vor sich hin redete, und er scheint zu ahnen, dass sich seine Isolierung noch lange hinziehen wird.
Regisseur Pintor zeigt den König in seiner Inszenierung in einem Käfig umgeben von seinen geliebten Vögeln, denen er Lieder beibringen will, und dieses Gefängnis will kein Ende nehmen. Immer wieder wird eingeblendet, den wievielten Tag er dort schon verbringt – den 36., den 69., den 189.; die Zahlen werden immer höher, immer deprimierender. Vor einem halben Jahr hat Andreas Weirich das Stück an der Bayerischen Staatsoper inszeniert, es ist derzeit als Stream verfügbar, und sich dabei ganz auf die acht Lieder beschränkt. Ganz anders Pintor. Er wählte nicht den Titel des Komponisten, sondern nennt sein Stück The Mad King, und das trifft genau, was seine Inszenierung ausmacht. Er porträtiert einen Eingeschlossenen – geistig eingeschlossen durch seine Verwirrung und ganz konkret durch seine „Inhaftierung“. Dieser König ist selbst Bewohner des riesigen Vogelkäfigs, der seine geliebten Tiere beherbergt. Bei der Uraufführung der Eight Songs waren die Musiker in Vogelkäfigen auf der Bühne, Pintor geht einen Schritt weiter, hier stecken sie in Vogelkostümen und spielen die Kameraden des Königs, noch durch einen weiteren ergänzt, eine pantomimische Figur, die gewissermaßen ein Zwitterwesen zwischen Mensch und Vogel darstellt und in Interaktion mit dem König tritt.
Das Stück beginnt daher auch lange, bevor die ersten Klänge von Peter Maxwell Davies' erstem Song intoniert werden. Der König, verkörpert durch den Bariton Charles Johnston, macht das, was den Librettisten seinerzeit zu diesem Werk inspiriert hat: Er stellte sich vor, wie der wirre König ausgerechnet Vögeln, den Spezialisten in Sachen Gesang, Lieder beibringen will. Johnstons König ist umgeben von zahlreichen Drehorgeln, die vom renommierten Spieluhrenmuseum Speelklok in Utrecht zur Verfügung gestellt wurden. Auf ihnen intoniert er Melodien, bläst gelegentlich auch auf drei Flaschen – und siehe da, die „Vögel“ reagieren, auch sie blasen, nur können sie es ungleich besser – das ist einer der kleinen Regieeinfälle, die den Zuschauer sogleich in die psychologische Situation dieser Inszenierung einführen. Wie sich Charles Johnston zwischen diesen „Vögeln“ im Käfig bewegt, ist eine mimische Glanzleistung. Man ahnt stets die geistige Verwirrung und ist zugleich angerührt von der Begeisterung, die diese Figur für die Vögel empfindet. Diese Nähe von Mensch und Tier ist prägend für die ganze Inszenierung. So stottert Johnston seine Gesangstöne gelegentlich hervor, als fange er an zu zwitschern wie Vögel, die Vögel wiederum, als sie sich einmal über ihren menschlichen Kompagnon entrüsten, beginnen zu „twittern“, sodass sich ihre Kommentare über diesen seltsamen Mann optisch im Raum bewegen.