Anna Netrebko gibt in Francesco Cileas One-Hit-Wonder Adriana Lecouvreur die größte französische Schauspielerin des 17. Jahrhunderts, welche nach einer zweieinhalbstündigen Tour de Force durch sämtliche Opernklischees den Tod durch einen welken Veilchenstrauß findet. Das tut sie freilich nicht zum ersten Mal, jedoch erstmals in der Wiener Staatsoper, welche wiederum das Werk vor drei Jahren (mit Angela Gheorghiu in der Titelpartie) erstmalig aufführte. Man durfte also gespannt sein.
Aus dieser Spannung wurde ein wenig Anspannung, gepaart mit ein paar Schrecksekunden, als sie in ihrem ersten Auftritt zu deklamieren begann: Sie legte ihren Vortrag mit sehr tiefer Stimme an, und auch ihren Akzent konnte sie kaum verbergen; doch mit dem Selbstbewusstsein einer Primadonna gerieten derlei Schwierigkeiten schnell zur Nebensache. Zwei Takte Gesang, und man verfiel ihrer Stimme, die sie an diesem Abend von der ersten bis zur letzten Note makellos führte. Alles kaufte man ihr ab: die Bescheidenheit, wonach sie eine niedrige Magd der Kunst sei („Io sono l’umile ancella“), die Eifersucht, die Verliebtheit, und auch das Aufblitzen von Wahnsinn in ihrer Sterbeszene. Eine Diva vom Feinsten.
Ihr zur Seite – und in nichts nach – stand ihr an diesem Abend Piotr Beczała als ihr Geliebter, der Graf von Sachsen. Auch er war erstmals in dieser Partie an der Staatsoper zu hören, zeigte dabei keinerlei Schwächen, dafür saubere, lang gehaltene Spitzentöne und jugendliche Energie. Besonders erfreulich ist, dass sich Beczala mit dem Grafen Maurizio auch darstellerisch intensiv auseinandergesetzt hat.
Doch lebt der Erfolg eines Abends natürlich nicht von zwei Ausnahmekünstlern allein: Meine persönliche Lieblingsnummer dieser Oper („Acerba voluttà“), durfte Elena Zhidkova als Fürstin von Bouillon und Adrianas Konkurrentin zum Besten geben, und das tat sie mit großer Stimme und großer Geste à la Ebolis „O don fatale“. Auch Roberto Frontalis Michionnet (väterlicher und sie doch naiv begehrender Freund Adrianas) gefiel ebenso wie die Stimmgewalt von Alexandru Moisiuc als Fürst von Bouillon, stets umgeben von Raùl Giménez als intrigantem Abbé (Abate).