Nürnbergs Musiktheater hat in seiner ersten Saison mit Jens-Daniel Herzog als Staatsintendant und Joana Mallwitz als Generalmusikdirektorin Aufsehen erregende Produktionen präsentiert, mit Prokofjews Krieg und Frieden sowie Wagners Lohengrin geradezu Blockbuster in den Spielplan gestellt. Neu war nun auch die Gestaltung eines „Festwiesen-Konzerts“, dessen Name – aus den Meistersingern entlehnt – die breite Mitwirkung vieler Bürger der Stadtgesellschaft als Sänger oder Instrumentalisten in einem Konzert beschreibt, neue Kompositionen präsentiert und den Diskurs über das gemeinsame musikalische Erlebnis fördern soll. Programmatisch passte es zudem hervorragend in den Konzertkalender der 68. Internationalen Orgeltage Nürnberg.
Bereits der erste Konzertabend dieser Gattung lenkte mit vielgestaltigem Informationsangebot und großformatigen symphonischen Ereignissen eine erfreulich große Zahl wissbegieriger Konzertfreunde in die Säle der Meistersingerhalle. Dass die 1963 errichtete, optisch so markant ausstrahlende Steinmeyer-Orgel nicht nur für romantische oder moderne Orgelwerke geeignet ist, führte Martin Sturm, Solist auch im weiteren Konzertprogramm, eindrucksvoll mit Improvisationen aus Renaissance- und Barockzeit vor; Joana Mallwitz entlockte neugierig und eloquent ihrem Interview-Partner viele Details zur Persönlichkeit eines Organisten, der sich immer wieder auf neue Individualität von Konzerträumen und deren Orgeln einstellen muss.
„Noten spielen nicht die wichtigste Rolle, sondern ihre Dramaturgie im Raum.“ Konstantia Gourzi, griechische Dirigentin und Komponistin, beschrieb im Gespräch mit Joana Mallwitz, wie sie zunächst Klangvorstellungen eines neuen Werkes imaginiert und erst anschließend im Raum die konkreten Töne der Komposition einpasst. Konkret hatte sie die Räumlichkeit der Konzerthalle ausgekundschaftet und sich mit Martin Sturm intensiv in das Klangbild der Orgel vertieft. Dass Musizieren ein „raumgreifender” Prozess ist, wurde dann im Konzert bei der Uraufführung von Perseus & Androméda. Sinfonische Dichtung über das Schicksal Wirklichkeit: das Licht im Zuhörerraum gedimmt, auf leerem Podium wenige versprengte Musiker; durch „Das Tor“ traten von hinten dann langsam die Instrumentalisten herein im Spiel motivischer Fetzen auf Flöte oder Violine, Trommelgemurmel oder im Windgeräusch eines mit Geigenbogen angestrichenen Beckentellers. Mitten im Festwiesen-Aufmarsch: die Dirigentin, die nach Minuten den Klang mit ausladender Armbewegung einfing, zusammen mit dem Plenum der Orgel rituelle Tonsprünge um den Tritonus zum Satzende formulierte.
Konstantia Gourzi hatte selbst eingeräumt, dass die Kenntnis der altgriechischen Sage um den Halbgott Perseus, der die als Opfer für den Meeresgott Poseidon gefangene Androméda befreite und heiratete, zum Verständnis ihres Werkes nicht erforderlich ist. Sie fasziniere eher der Gedanke, wie ein Schicksal vermeidbar oder durch Eingreifen zu verändern sei. Nach einem ruhigen, durch ostinate Strukturen geprägten Interludium „Die andere Seite“ folgten intensive rhythmische Schlagzeug-Abschnitte mit erregtem „Tanz des Schicksals“, die den Kampf um Entscheidungen symbolisierten. Farbige Harfen-Arpeggien und perlender Flötenklang in „Transformation“ entfalteten Raum zu Aufatmen, Empfindungen, Intimität.