Die alte Redensart legt es nahe: Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Dem kommt gerade das Theater an der Wien in großem Umfang nach. Anlass hierzu ist das 10-jährige Bestehen des Theaters als drittes Opernhaus Wiens, als welches es sich durch innovative Programmwahl und unter anderem einen Schwerpunkt auf barockes Musiktheater einen klingenden Namen gemacht hat. Überraschend auch das Festprogramm dieser Tage: Gefeiert wird der runde Geburtstag mit einer szenischen Produktion der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Weill sowie zwei Festkonzerte mit konzertanten Aufführungen der Oper Fidelio / Leonore (1806) und Idomeneo. Zweiteres geht auf die Initiative des dem Haus langjährig verbundenen Dirigenten René Jacobs zurück.
Wolfgang Amadé Mozarts Idomeneo ist eng mit der jüngeren Geschichte des Theater an der Wien verbunden, war es doch 2006 die erste Produktion des Hauses in Zusammenarbeit mit der Wiener Staatsoper, die 2007 wiederaufgenommen wurde. 2013 erfolgt dann eine weitere Produktion in der eher verstörenden Regie von Damiano Micheletto mit René Jacobs am Pult. Einige der Sänger dieser Aufführungsserie waren nun auch am Festkonzert beteiligt.
Interessanter Weise lässt sich von Idomeneo auch eine Verbindungslinie zu Fidelio ziehen; beide Opernwerke liegen nämlich in mehreren Fassung vor: Sind es im Fall von Fidelio drei, so sind es bei Idomeneo zwei. Die erste Fassung entstand als Auftrag des Münchner Hofes für den Karneval des Jahres 1781 und die zweite Fassung aus Anlass einer konzertanten Aufführung des Werkes in Wien, die im Jahr 1786 stattfand. So steht auch im Fall dieser Oper die Dirigentin oder der Dirigent vor der Qual der Wahl. René Jacobs entledigte sich dieser Qual, indem er auf die sicherlich wirkungsvollere der beiden zurückgriff, nämlich auf die Originalfassung des Werkes mit einem Mezzosopran in der Rolle des Idamante.
Wirkungsvoll und spannend zugleich, das sind die Prädikate, die auf die musikalische Ausführung des Freiburger Barockorchesters unter der Leitung von René Jacobs in vollem Umfang zutrafen. Stilistisch treffsicher, fein nuanciert und mit passenden Tempi versehen leitete der Spezialist für historische Aufführungspraxis den Orchesterapparat durch eine gekonnte Aufführung des eigentümlichen Zwitterwesens, das dieses Werk letztlich darstellt. Mozart vereinigt in dieser Oper nämlich die Tradition der Opera seria in Nachfolge Pietro Metastasios mit der Tradition der französischen Tragédie lyrique zu einem seiner wohl aufregendsten Bühnenwerke. Diesem Umstand trug die Interpretation von Jacobs Rechnung, indem er zwischen den Rezitativen und Arien, aber auch den Zwischenmusiken und Chören (auf das Schlussballett hat er leider verzichtet) einen großen Bogen schlug, der kaum Luft zum Atmen ließ. Gebannt durfte man hier zuhören, wie sich die Handlung in der musikalisch Dramaturgie des Werkes niederschlug.
Auch die Solisten des Abends trugen ihren nicht kleinen Teil dazu bei, dass dieses Werk auch so wirkungsvoll über die Bühne gehen konnte. In der Titelrolle war der britische Tenor Jeremy Ovenden zu erleben. Mit seiner hell eingefärbten, lyrischen Stimme und seiner fein abgestuften Koloraturtechnik, die in seiner großen Arie „Fuor del mar“ voll zur Geltung kam, wusste er das Publikum für sich einzunehmen; großartig auch der Einsatz seiner stimmlichen Mittel in der Cavatina con coro im dritten Aufzug.