„Wer viel fragt, kriegt viel Antwort“. So sagt es eine Redewendung, doch im Fall der Geschichte der Elsa von Brabant ist es noch schlimmer: „Nie sollst Du mich befragen!” Das trägt ihr der Titelheld in Richard Wagners Libretto zu Lohengrin auf, der sie in einem Gottesurteil erfolgreich gegen den Vorwurf, ihren jüngeren Bruder und brabantischen Thronfolger Gottfried getötet zu haben, verteidigt und in den sie sich verliebt hatte. Welche Prägung, welche Zwänge trägt dieser Lohengrin mit sich herum, und kann eine Beziehung ohne Fragen, ein „Verstandensein nur durch Liebe“, wirklich gutgehen? Dass gar nicht zu fragen auch keine Lösung ist, zeigt immerhin die Geschichte von Wagners Parsifal.
Richard Wagner zog bei der Vertonung der Schwanenrittersage einen ganzen Komplex von Quellen heran: wie Märchenmotive eines thüringischen Sängers oder Konrad von Würzburgs Ritter mit dem Schwan. Dass er selbst Einsamkeit und Unverstandenheit eines Künstlers in Lohengrin verkörpert haben könnte, macht die Interpretation einer seiner populärsten Opern nicht einfacher. David Hermann legt am Staatstheater Nürnberg in der Geschichte von Elsa und Lohengrin die Auseinandersetzung offen zwischen heidnischem Kult von Wotans Germanen und zum Christentum bekehrten Brabantern. Er nimmt die Erwähnung von Parzival und Wotan zum Anlass, beide als zwar stumme Rollen sichtbar zu machen, aber ihre intrigante Einmischung (Wotan) oder missionierenden Sendungsauftrag (Parzival) herauszuheben. Lohengrin ebenso wie Ortrud und Telramund werden dadurch mehr Getriebene als Akteure. Johannes Lang und Jochen Kuhl vom Nürnberger Schauspielhaus verkörperten diese Rollenportraits hinreißend, ließen abseits der Konfliktebene auch von Hermann intendiertes Schmunzeln und Leichtigkeit zu, wenn Wotan mit Walküren waidgerecht ein Wildschwein zum Festessen tranchiert oder Parzival ins Brautgemach späht, ob Lohengrin nichts anbrennen lässt.
Jo Schramms sanft schwebendes Bühnenbild silbrig glänzender Stangenvorhänge unterstützt diesen Ansatz, kann vom waldartigen Mikado-Dickicht vor dem Gottesurteil des ersten Akts zur Illusion hoher gotischer Kirchengewölbe mutieren, in die sich ein Orgelpfeifenprospekt organisch einfügen lässt; verbindende Kreuzgänge schafft es ebenso wie es Volksmassen hinter Gittern aufhält, im Hochzeitsgemach des dritten Akts dann Bündelung auf die alles entscheidende Frage symbolisiert. Die übrige geringe Möblierung von fahrbarem Holzthron, knorrigem Welteschen-Stumpf oder nach Art schwedischer Möbelhäuser schnell zusammensetzbarem Ehebett hält sich, auch farblich, wohltuend zurück. Umso prunkvoller sind die verspielt und vielfältig bunten Kostüme von Katharina Tasch, die Fantasy-Welten wie Game of Thrones entspringen könnten; zusammen mit der lebhaften Personenführung lassen sie starke Rollenbilder und suggestive Massen-Choreographien im Gedächtnis haften.
Bereits in der Ouvertüre war Lohengrins Aussendung durch die Gralsritter im stummen Spiel in Montsalvat bildhaft geworden. Joana Mallwitz am Pult der Nürnberger Staatsphilharmonie hatte mit den sphärischen Klängen des Vorspiels (und den traumhaft viergeteilten ersten und zweiten Violinen) eine überirdische Atmosphäre im Raum geschaffen; straffe Tempi und intuitives Gespür für Licht- und Schattenzonen der Musik, Realistisches wie Visionäres in Wagners Klangsprache kennzeichnete die weiteren Akte. Seidenweiche Streicher, lyrischer Feinschliff der Holzbläser und präzises, martialisch wie choralschön agierendes Blech bereiteten im vollbesetzten Haus philharmonische Sternstunden.