Am Tag nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen seines Heimatlandes bekannte François-Xavier Roth vor der Zugabe in deutscher Sprache politische Farbe: Ein französischer Dirigent und ein Solist gleicher Staatsangehörigkeit, die in Wien mit einem britischen Orchester Musik von einem französischen, einem ungarischen und einem österreichischen Komponisten darbieten – das ist für ihn und für die Zuhörer Europas. Das London Symphony Orchestra bot feine Orchesterqualität, die vom herausragenden Bratschisten Antoine Tamestit in Bartóks Konzert für Viola herausgefordert und unterstrichen wurden.
Zuerst schlich sich jedoch auf samtigen Füßen Debussys nachmittäglicher Faun ins Wiener Konzerthaus. Die Soloflöte zauberte in der Tat in ihrem kurzen, aber umso reicheren Vorspiel einen interessanten dynamischen Effekt herbei. Plötzlich hinter einem Strauch hervorschauend gab sie ihre Annäherung zu erkennen und versetzte das Publikum in einen mythischen Bann, den das seine breiteste Klangpalette entfaltende LSO kongenial verlängerte. Klarinette, Oboe, erste Geige und Harfen setzten in ihren Solomomenten komplementäre Akzente, sodass Debussys Prelude à l'après-midi d'un faune rundum interpretative Maßstäbe setzen konnte und als ausgezeichneter Appetizer für diesen symphonischen Abend erschien.
An dessen Ende stand eine bewegende, aber in seltenen Phasen etwas eintönige
Symphonie Nr. 4 in Es-Dur Anton Bruckners. Der erste Satz ließ das Horn auf murmelndem Orchester zuerst das Wort ergreifen, bevor die Celli sehr lyrisch romantischste Qualen erlitten. Darauf zog majestätisch die Blechbläsergruppe ins Feld: ihr und dem Dirigenten ist auch die magische Wucht des ersten Finales zu verdanken. Der herausragende Satz des Werks war an diesem Abend der zweite. Das Andante quasi Allegretto zeigte Celli und Bratschen in ihren Kantilenen apassionati (beide leider in den hohen Lagen manchmal leicht heterogen) und mit einer äußerst vielseitigen Dynamik. Der getragene Marsch des Tutti wurde vom Crescendo der Kontrabässe begleitet.