Waren die Wiener Philharmoniker in den letzten Jahren mehr durch Exzentrik aufgefallen als durch musikalische Exzellenz, so überzeugten sie an diesem Abend wieder mit einer Vollkommenheit, die man schon verloren glaubte. Auch in puncto Frauenquote reichte diesmal nicht bloß eine Hand zum Abzählen der weiblichen Spieler aus. Vielleicht ein Zeichen der Öffnung in Richtung Zukunft?
Am Pult stand an diesem Abend der kanadische Dirigent Yannick Nézet-Séguin, der das Orchester mit seinem feinen musikalischen Gespür zu Bestleistungen motivierte. Nézet-Séguin entlockte dem Wiener Traditionsorchester solchen Farbenreichtum und klangliche Brillianz, dass man am ausgezeichneten Ruf des Ensembles nicht auch nur im Entferntesten zweifeln konnte. Seit Jahren hatte man die Wiener nicht mehr auf solch außerordentlichem Niveau musizieren hören und es war wahrlich ein Genuss, dabei gewesen zu sein.
Eigentlich mehr an der Bruckner-Messe interessiert, ertappte ich mich dabei, von der unglaublichen Ausdruckskraft der Les Fresques de Piero della Francesca des tschechichen Komponisten Bohuslav Martinů vollkommen überwältigt zu sein. 1956 von selbigem Orchester unter Rafael Kubelik bei den Festspielen uraufgeführt, handelt es sich um ein Werk, das trotz deutlicher Inspirationsquelle (besagte Fresken) keineswegs als banale Programmmusik bezeichnet werden kann. Vielmehr stellen die einzelnen Sätze die Gefühle und Emotionen dar, die beim Anblick der meisterhaften Fresken aufkommen, und geben eher hintergründig den Inhalt der Bilder wieder.
Das Werk beginnt bereits mit schillernden Klangfarben und rhythmischen Verstrickungen, die einen an Komponisten wie Strawinsky oder Debussy, aber auch Richard Strauss denken lassen. Nézet-Séguin vermochte ebendiesen Klangreichtum grandios herauszuarbeiten und machte dem Publikum die Fresken durch die Musik beinahe sichtbar. Mit seinem durchaus eleganten und äußerst ästhetischen Dirigierstil war das Ergebnis allein optisch schon einen Besuch wert.
Das Orchester spielte das Werk so mitreißend und brillant, dass man sich fragte, warum man es noch nie zuvor in einem Konzert gehört hatte. Von den exakt artikulierenden Streichern über die fließenden Läufe der Holzbläser zu den kräftigen akzentuierten Einsätzen der Blechbläser und des Schlagwerks war jede Schattierung von Dynamik und Artikulation in hervorragender Weise vorhanden. Und somit sicherten sich Orchester und Dirigent bereits in der ersten (deutlich kürzeren Hälfte) des Konzerts die Sympathien des Publikums.