Wer heuer in Salzburg jemanden von „Salome” sprechen hört, denkt sicher automatisch an Richard Strauss' Oper. Wenn es euphorisch klingt, könnte die Rede auch von Alessandro Stradellas fast 300 Jahre älterer Salomè sein, die etwas sperrig San Giovanni Battista heißt und von der Festspielleitung noch vor der Premiere der Strauss-Oper ins Mozarteum platziert worden war. Václav Luks und sein Collegium 1704 leisteten zur Ouverture Spirituelle der Salzburger Festspiele gelungene Überzeugungsarbeit für diese wenig bekannte Dramatisierung des Stoffs.
Er soll sich von Heuschrecken und wildem Honig ernährt haben, rief zur religiösen Umkehr auf. Das hätte Johannes den Täufer kaum in die Geschichtsbücher und oder die Bühne gebracht. Dass seine aufrührerischen Predigten dem jüdischen Machthaber Herodes nicht gefielen und Johannes Herodes dafür kritisierte, die Frau seines Bruders geheiratet zu haben, kostete ihn eher die Freiheit, wie die Evangelien berichten. Salomè, seine Stieftochter, soll aus Rachsucht Johannes' Kopf von Herodes gefordert und erhalten haben, da sie vergeblich mit einen Tanz versucht hatte, den gefangenen Propheten zu betören. Dass 1675 bereits Alessandro Stradella, Barockkomponist aus der Gegend von Modena, den Stoff als Oratorium realisierte, ist sicher noch weniger bekannt wie die Lebensdaten von Stradella, der immerhin Namensgeber einer 1844 geschriebenen erfolgreichen Oper des heute fast vergessenen Friedrich von Flotow wurde. Diese beschreibt eine überlieferte abenteuerliche Liebesaffäre Stradellas, der vom Nebenbuhler offenbar mit einem Dolch umgebracht wurde.
In Oscar Wildes Dichtung, von Richard Strauss komponiert, geht es leidenschaftlich und hochdramatisch zu, Gefühle und Rachegelüste werden atemberaubend direkt dargestellt. Ansaldo Ansaldis Libretto lässt zwei Welten aufeinander prallen: einen Johannes im Einklang mit der Natur einer arkadischen Landschaft und vom Himmel für seine Mission gestärkt; nicht unbedingt der Asket, der laut Bibelbericht in der Wüste lebte. Und die höfische Welt des Herodes, in der Sorgen, Intrigen, Verwirrungen irdischer Liebe den Seelenfrieden kosten. Nach barocker Art gibt es eine Haupthandlung und eine eher distanziert beobachtende Nebenhandlung allegorischer, ja sogar moralisierender Gestalten. Luks bündelte diese Nebenrollen in die Figur eines königlichen Beraters sowie eines Chores, der (griechischen Dramen ähnlich) von außen kommentierte. Krystian Adam gab der Wendigkeit und Ergebenheit des Kammerherrn spielerisch Gestalt, pries mit schlankem glanzvoll-tenoralem Stimmeinsatz seinen Herrn („Nimm dir den König der Sterne zum Vorbild …; du kannst nicht irren“).
Der Bassbariton Krešimir Stražanac zeichnete den autoritären, oft unentschlossenen Herodes zutreffend, der sich von Familie und Hofstaat gerne loben lässt, wankelmütig entscheidet, der zur Besänftigung seiner rachsüchtigen, unentwegt unzufriedenen Stieftochter dieser sogar die Hälfte seines Königreichs vermachen will. Mit farbenreichem voluminösem Klang malte er dessen Harmoniesucht in schwärmerische Koloraturen ebenso wie Ärger, Zorn und Gefühlswirren in beängstigend markante Wutausbrüche. Am Ende litt er unter den Stichen des bösen Weibes, ließ voll Selbstmitleid und Reue die Erinnerung an die Stimme des Täufers vorüberziehen. Es war schade, dass Lucile Richardots klangvoller Mezzosopran als Gattin Herodias nur selten in dramatischer Verve erstrahlen konnte, hatte sie doch am Anfang den Familienfrieden („Zur Freude gerate der Schmerz, in Ambrosia wandle sich das Gift!“) zu vermitteln, gab dann den verhängnisvollen Rat an Salomé („Verlange doch einfach den stolzen Schädel des Täufers!“).