Der Ring des Nibelungen ist das in Musik gegossene Motto „Think big“, und besonders gilt das für Siegfried. Paradoxerweise braucht es aber nicht unbedingt einen „Gigantowitsch“ (Gottfried von Einem über Herbert von Karajan) am Pult, um ihn bestmöglich zu realisieren. Unabdingbar sind jedoch Erfahrung, handwerkliches Können. Ein sagenhafter Siegfried an der Wiener Staatsoper, Ausdauer, und nicht zuletzt Liebe zur Sache – all das vereint Ádám Fischer, dieser stets freundlich-bescheiden wirkende Herr aus Budapest aufs Schönste.
Abgesehen davon ist er die Ruhe selbst. Als wenige Takte nach Beginn des Vorspiels ein Mobiltelefon lautstark und nicht nur für eine Schrecksekunde klingelte, blieb er völlig unbeirrt. Unter seiner Leitung fügte sich die Partitur ganz natürlich, fielen die Leitmotive wie ein sommerlicher Meteorschauer vom Himmel, leuchteten auf und verglühten. Auch das Orchester war bestens disponiert. Unter der Leitung von Konzertmeisterin Albena Danailova beeindruckten besonders die Violinen am Beginn der Szene am Walkürenfelsen – das waren magische Momente, an dem es an diesem Abend ohnehin keinen Mangel gab.
Das gelungen Dirigat zeigte sich auch in der Führung der Sänger. Immer wieder war zu erkennen, dass es bei allen Ansprüchen, die Wagner an sein Personal stellt, doch kleine Schlupflöcher in der dicken Orchestrierung gibt, die es den Sängern ermöglichen, ihr Instrument bestens zur Geltung zu bringen. Allerdings bräuchte es das für vokale Kraftlackel wie Stephen Gould (Siegfried) und Tomasz Konieczny (Wanderer) gar nicht. Ich hatte schon öfter den Eindruck, dass man die beiden bei geöffneten Türen bis zum Naschmarkt hören müsste, und an diesem Abend war das nicht anders. Beide waren in Hochform und zogen ihre Aufgabe ohne jegliche Ermüdungserscheinung durch, gestalteten ihre Partien mitreißend. Das Aufeinanderprallen der beiden Stimmgewalten im dritten Aufzug – heldentenoraler Ungestüm gegen göttlich-väterliche Bass-Autorität – fiel dementsprechend heftig aus.
Bei Stephen Gould staune ich immer wieder, wie agil und verspielt dieser Bär von einem Mann im Finale wirkt, wo er doch sonst eher den Eindruck vermittelt, er könnte Mime einhändig erwürgen. Stimmlich betrachtet wäre etwas weniger vielleicht sogar mehr gewesen, denn mit seiner naturgegeben großen Stimme hätte er einigen Tönen gar nicht so viel Nachdruck verleihen müssen, wie er dies tat. Das Vergnügen an seiner Leistung schmälerte das aber keineswegs. Iréne Theorin war ihm in ihrem Wiener Rollendebüt eine ausgezeichnete Partnerin. In einer dynamisch differenzierten Gestaltung brachte sie Brünnhildes innere Zerrissenheit über den Verlust ihres Status und die Freude an Siegfried zum Ausdruck. Dabei durchdrang ihr leuchtender Sopran das Orchester in jeder Lage.