Als Frank Castorfs Inszenierung des Ring des Nibelungen im letzten Jahr zur Bayreuther Zweihundertjahrfeier erschien, gab es einen Aufschrei entrüsteten Protests. Das hat in das Publikum aber nicht davon abgehalten, das Bayreuther Festspielhaus diesem Jahr bis auf den letzten Platz zu besetzen. Ich werde für den gesamten Zyklus hier sein und werde meine Gedanken zu Castorfs Arbeit auf die verschiedenen Kritiken verteilen.
Beginnen möchte ich aber mit dem wenig kontroversen Teil der gestrigen Vorstellung des Rheingolds, nämlich dem Gesang und der musikalischen Umsetzung. An erster Stelle muss hierbei Oleg Bryjak stehen, der einen sensationellen Alberich sang. Ausgehend von einer Stimme, die in allen Lagen voll und kräftig ist, gelang Bryjak ein ganz außergewöhnliches stimmliches Schauspiel, als er seine Stimme mit maßlosem Stolz, Bosheit, roher Wut und völliger Verzweiflung färbte. Die herausragende Frauenstimme des Abend gehört Nadine Weissmann als Erda, mit absoluter Autorität und üppigem Timbre.
Norbert Ernsts Loge war musikalisch sehr gut, jedoch fehlte der Charakterisierung der letzte Schliff. Die Rolle der Fricka bietet im Rheingold nicht allzu viel Gestaltungsspielraum, aber Claudia Mahnke sang sie ungewöhnlich stark, was im zweiten Akt der Walküre an diesem Abend so einiges erwarten lässt. Im hohen Niveau des Rheintöchter-Trios beeindruckte besonders Okka von der Damerau als Floßhilde. Wolfgang Kochs Darstellung als Wotan hingegen hatte Höhen und Tiefen: bei manchen der hohen Töne war seine Stimme durchaus aufregend, doch schien es ihm an Kraft zu, besonders in den tieferen Lagen.
Einen generellen Kritikpunkt am Gesang aber gibt es, denn die Aussprache war durch die Bank schlecht. In Bayreuth werden keine Übertitel gezeigt, darum möchte man doch annehmen, dass die Sänger sich in der Artikulation ihrer Worte besondere Mühe geben – vor allem, wo sie dabei doch einige Unterstützung durch die Akustik des Festspielhauses bekommen, die den Orchesterklang zugunsten der Stimmen unterdrückt. Man hoffte vergebens. Diese Akustik ist auch dafür bekannt, dass sie es dem Dirigenten schwer macht, eine gute Balance der verschiedenen Orchesterelemente zu schaffen. Für Kirill Petrenko aber schien das überhaupt kein Problem zu sein, und der Orchesterklang war exzellent: zügig, aufregend und klar.
Nun aber zu Castorfs Inszenierung. Aleksandar Denićs einziges, mehrstöckiges Bühnenbild ist sicherlich eindrucksvoll. Die Handlung findet in einem billigen Texas-Motel statt, das gleichzeitig Tankstelle, Bar und Bordell ist. Alles ist auf einer Drehscheibe montiert, und wir können das Geschehen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten: das Schwimmbecken auf der Rückseite dient als Rhein, die Rheintöchter sind Prostituierte; die Götter sind Kleinkriminelle, die wir zunächst durch die Balkontür eines Schlafzimmers im Obergeschoss sehen; Fafner und Fasolt sind Automechaniker, die sich daran machen, die Bar im Erdgeschoss auseinanderzunehmen. Viele der Kostüme sind grellbunt, von Loges rotem Anzug über Freias Gummikreation zum goldenen Lamé-Anzug für Mime, der genauso gut Terry Pratchetts Feucht von Lipwig gehören könnte.