Es ist selten, dass man eine innovative Opernproduktion zu sehen bekommt, deren einzelne Elemente bis zur letzten Facette in ein integriertes Ganzes passen – in der die Gesangsleistungen überragend sind, das Orchester durch einen hervorragenden Dirigenten eine körperliche Verbindung zur Musik zu haben scheint, in der die Kostüme perfekt zum Drama passen und die Inszenierung so einfallsreich wie wirkungsvoll ist. Doch an diesem Abend konnte man eine solche Produktion erleben. Barrie Koskys neuer Macbeth ist so spärlich ausgestattet wie ich selten eine Oper gesehen habe. Doch dieser Mangel an äußerlichem Detail und irritierenden Extras legt den Fokus hier auf Verdis ausgedehnte Partitur, den psychologischen Aufruhr der Protagonisten und ein krasses Bühnenbild, das diese Attribute weiter hervorhebt.
Uraufgeführt 1847 in Florenz war Macbeth Verdis erste Vertonung eines Shakespeare-Dramas und sein düsteres Portrait von Königsmord und Schonungslosigkeit führte den Komponisten in weite Ferne des Sprichwörtlichen. Im Gegensatz zu Shakespeares Vorlage dreht sich Verdis Fassung mit italienischem Libretto von Francesco Maria Piave nicht um Liebe und den tragischen Konflikt, den sie nährt. Stattdessen befasst sie sich mit dem Hunger nach Macht und ihrer unwiderstehlichen Anziehungskraft; ein Drama, dass die Protagonisten letztendlich in den Wahnsinn zieht.
Der schottische Kommandant Macbeth wird von seiner ambitionierten Frau dazu angetrieben und von drei Prophezeiungen weiter angestachelt, den Thron anzustreben, und er tut alles Erdenkliche, um sein Ziel zu erreichen. Die Handlung köchelt in einem blutigen Gebräu von Mord, Angst und Psychose. In Anbetracht dessen war Klaus Grünbergs Bühnenbild einfach brillant. Während sich der Vorhang öffnet, liegt eine Gestalt, bedeckt von einem Dutzend Krähenkadavern, mit dem Gesicht nach unten im von oben kommenden Scheinwerferlicht. Der Rest der Bühne ist – und bleibt für den Großteil des Abends – schwarz, bis nach und nach Kerzen am Rande dessen angezündet werden, was wie „unser“ Ende eines langen, quadratischen Tunnels aussieht, dessen Tiefe nach hinten unerkennbar bleibt. Dann treten langsam zwanzig nackte „Hexen“ aus diesen Schatten – männlich, weiblich, Hermaphrodit – die „Geister der Hölle“, die mit dem am Boden ausgestreckten Mann interagieren und in Sterblichen Gedanken an blutige Taten entfachen können. Und genau das tun sie.
Als liebeskranker Macbeth nahm Bariton Markus Brück die Herausforderung zu töten an, doch er übernahm auch ein neues Profil als führende Figur in der Zürcher Produktion. Er wagt nicht, den Verlust ihres Vertrauens zu verlieren, umschwänzelt seine Lady hier (wenngleich etwas ungepflegt für einen König) und erliegt ihren Umarmungen wie ein dankbares Kind. Brücks kraftvolle Stimme passte besser zu den brutalen, emotionalen Ausbrüchen als zu den subtilen Nuancen der Unentschlossenheit seiner Figur. Er meisterte jedoch auch die herausforderndste Bühnenanweisung, selbst in einem Kreis von 25 nackten Hexten, die an seinem Körper nach oben kletterten und ihm ihre wurmgleichen Finger ins Gesicht pressten, während er um Erlösung sang.