Beverly Sills machte den berühmten Kommentar, dass die Rolle der Elisabetta in Roberto Devereux sie stimmlich zehn Jahre gekostet hat. Sills war ein hoher Koloratursopran, aber eine furchtlose Sängerin, die im Laufe ihrer Karriere die Drei Königinnen (Bolena, Stuarda und Elisabetta) in Angriff genommen und sie mit einer Tiefe und Kraft gesungen hat, die ihre leichte Stimme Lügen strafen: sie begann, zusehends in die mittlere und tiefe Lage ihrer Stimme vorzudringen, wo der Großteil dieser Rollen trotz hoher Kadenzen liegt, und ihre Vorstellungen waren sowohl dramatisch als auch stimmlich fesselnd. In jüngster Zeit haben Anna Netrebko, Angela Meade, Joyce di Donato und Sondra Radvanovsky zwei dieser drei an die Met gebracht, und einzig Mariella Devia hat es in einer einmaligen Angelegenheit in der Carnegie Hall vor zwei Jahren gewagt, die Devereux-Elisabetta anzunehmen (und örtlich zu meistern).
Nun ist Sondra Radvanovsky die erste Sopranistin an der Met, die alle drei singt – in einer Spielzeit, und bisher erfolgreich. Elisabetta ist mit weitaus mehr Koloraturen gespickt als die anderen beiden und die Rolle verlangt von der Sopranistin forte in allen Lagen: zusätzlich zu der fließenden hoch-und-tief-Musik gibt es viel ausrufenden, anklagenden Gesang. Diese Elisabetta wird im hohen Alter gezeigt und bei recht schlechter Gesundheit, verliebt in Robert, Earl von Essex, einem Mann, der nicht einmal halb so alt ist wie sie und der sie nicht liebt. Ihr wird bewusst, dass sie zwar als Monarchin, jedoch nicht als Frau erfüllt ist und es nie sein wird. Es ist eine ergreifende, emotionsgeladene Rolle. Es ist wirklich eine Situation, der gegenüber Lucias Probleme („instabiles Mädchen glaubt, man hätte sie sitzen gelassen und dreht durch“) den Anschein bekommen, als hätte man keine Milch mehr für den Morgenkaffee, und es ist unmöglich, sich durch diese Rolle zu „trällern“.
Der Trick ist, diese unfassbar schwierige Musik zu singen, ohne sie so klingen zu lassen. Die Ergebnisse waren durchwachsen. In den ersten beiden Akten schien es, als müsste Radvanovsky sich die hohen Töne erarbeiten, etwas auf der einen Seite der Figur. Ihre Stimme hat die richtige Größe für die Rolle, ist jedoch eher durchdringend als schön. Sie ist jedoch eine eine weise Sängerin und verfolgt viele Phrasen in langen pianissimo-Bögen, die die Härte wettmachen, die ihr Ton annehmen kann. Ihre Bruststimme ist beinahe verräterisch wirkungsvoll: ihre Spitzentöne sind gigantisch und gut platziert. Sills schien eins mit der Wut und der Verzweiflung, die Donizetti und Librettist Salvatore Cammerano in diese wohlentwickelte Figur hineingeschrieben haben, deren Gefühle von unbändiger Hoffnung auf Roberts Liebe im ersten Akt über ihre Rage in „Schon bevor du mich beleidigt, mich, die Tochter von König Heinrich, hattest du verdient, für den Verrat zu sterben einen unbarmherz'gen Tod.“ bis hin zur Traurigkeit in „Damit niemand sagt hier auf Erden: Die Königin von England habe weinen ich gesehn.“ reichen. Radvanovsky ist bemerkenswert, doch – noch – überwältigt sie nicht emotional, bis zu ihrer letzten Szene, die das Met-Publikum sprachlos machte. Ich habe das Gefühl, dass sie in die ersten beiden Akte hineinwachsen wird.