Die Zürcher Wiederaufnahme von Giancarlo del Monacos Turandot -Inszenierung ist so monumental wie phänomenal. Ein chinesischer Palast leuchtet in allen Farben (Bühne und Kostüme: Peter Sykora); es waren weder Details noch Kosten gescheut worden. Die etwa 140 Mann starken Chöre flankierten die Bühne auf überdachten Tribünen für ihren ersten Einsatz und donnerten „Wir wollen nach dem Henker rufen!” so, dass ich mich an meinem Sitz festhielt. Das Schicksal einer armen Seele, die Turandots Test nicht bestanden hatte, war beschlossen worden, und die Häscher – mit ihrer aufwändigen Aufmachung und enormen Torsos – sahen so unheilbringend aus, wie das Palastinnere prächtig war.
Doch wer nun annahm, es handle sich um eine konservative Oper, lag falsch: alle tatarischen Protagonisten traten in moderner – wenn auch etwas zerschlissener – westlicher Kleidung auf. Kalaf trug jemandes alte Boss-Jacke, die Sklavin Liù einen alltäglichen schwarzen Burberry-Regenmantel, und Kalafs alter Vater, ihr Herr, einen Tweedmantel aus zweiter oder dritter Hand. Turandots geheimnisvolle Rätsel – Google sei Dank – wurden mit Hilfe eines Laptops gelöst. Es war ein wunderbar humorvoller Einwurf, den meine Sitznachbarn als richtiggehenden Eingriff empfunden haben, aber ich liebte dessen Frechheit.
Die Geschichte der Oper beginnt damit, dass die chinesische Prinzessin Turandot ankündigt, dass sie nur den Mann heiraten wird, der weise genug ist, drei schwierige Rätsel zu lösen; denjenigen, dem es nicht gelingt, erwartet der Tod. Die Prinzessin, die sich so sträubt, einem Mann zu „gehören”, scheint wirkliche Probleme zu haben; ihre Keuschheut soll das Leiden eines verehrten und misshandelten Ahnen ehren. Doch in Kalaf – Prinz der Tataren – findet sie ihren Meister, der, nachdem er seine inbrünstige Leidenschaft bewiesen hat, auch sogleich Turandots drei Rätsel löst. Als sie ihn bittet, sie aus ihrer Verpflichtung zu heiraten zu entlassen, lässt er sich darauf ein unter der Bedingung, dass Sie vor Tagesanbruch seinen Namen errate, woraufhin er sterben würde. Kalaf verrät seinen Namen schließlich selbst, Turandot beschließt, ihn am Leben zu lassen, und die beiden erfreuen sich ihres Zusammenschlusses.
Puccinis bemerkenswerte Musik blieb ob seines Todes unvollendet; der letzte Akt wurde erst nach der Uraufführung der Oper (unter Toscanin) 1926 in New York ergänzt. Da sich die Handlung in China abspielt, nutzte Puccini pentatonische Skalen mit ausgeprägt orientalischem Klang, und die wunderbare Philharmonia Zürich unter der Leitung von Alexander Joel genoss diese vollen Tonalitäten. Die fünf verschiedenen Choranordnungen einschließlich Kinderchor backstage schufen mit vereinten musikalischen Kräften einen brillanten klanglichen Hintergrund.