Keine zwei Sibelius-Symphonien gleichen sich, weder im Charakter noch in der Form, und jede geht einen neuen symphonischen Weg, der sie von ihrer Vorgängerin unterscheidet. In einen einzigen Abschnitt von gerade 20 Minuten gegossen ist Sibelius' Siebte Symphonie ein Wunder der Kompaktheit, das sich einer konventionellen Analyse verwehrt. Der große britische Musikkritiker Ernest Newman brachte sie 1932 auf den Punkt, als er sagte, sie habe „keinen ersten oder zweiten, kein Ei und kein Huhn, mit Bezug auf Idee und Form: Eines ist schlicht das Andere“.
Sie hat einen Anfang und ein Ende, doch beide sind unkonventionell: Der Anfang erhebt sich mit einer C-Dur-Skala aus dem leisen Paukengegrummel und driftet fast unmittelbar ab; das Ende bringt eine gerade so erreichte Auflösung, die sowohl unausweichlich als auch hart erkämpft scheint. Die Essenz der Symphonie ist die eines Kampfes, weniger eine Reise aus Dunkelheit zum Licht (Dirigent Colin Davis – ewig morbider Pessimist – kommentierte: „Der letzte Takt ist, als schließe man den Sargdeckel.“), sondern vielmehr eine Suche nach dem Weg, der aus dem Labyrinth herausführt. Und es ist ein vertracktes Labyrinth von Sibelius' eigener Hand, das abstrakte Emotionen durch wunderliche musikalische Prozesse ausdrückt.
Nehmen wir zum Beispiel die tonale Form des Werkes. Wenngleich vordergründig in C-Dur, so scheint doch ein Großteil der Symphonie nach der ersten Klimax den „Heimatton“ C zu vermeiden: selten fällt er auf eine betonte Taktzeit, und Themen und Motive, die ihn beinhalten, scheinen die Musik andauern von ihm wegziehen zu wollen, in dem auf den daneben liegenden Tönen schließen. Drei Mal steigt ein unveränderliches Posaunensolo aus dem musikalischen Gewebe heraus im Versuch, die Tonart zu etablieren, doch Auflösung kommt erst im letzten Versuch und wird selbst dann noch vor seiner letzten, verzweifelten Bekräftigung umgelenkt: Erleichterung und Angst, ausgedrückt in denselben Tönen.
Sibelius war nicht der erste Komponist, der sich an einer einsätzigen Symphonie versucht hat. Schönberg beispielsweise hatte in seiner Ersten Kammersymphonie von 1906 alle vier traditionellen Sätze zu einem durchgängigen, verbundenen Ganzen kombiniert, auf eine Art, die letztlich von Liszts Klaviersonate in h-Moll abgeleitet ist, doch all diese „Sätze“ sind als eigenständige Gebilde wahrnehmbar. Sibelius' Geniestreich war es, all diese Elemente – Exposition, Scherzo, langsamer Satz, Finale – in einen einzigen musikalischen Abschnitt zu fassen, der keine formale Unterteilung besitzt: die Musik befindet sich in einem konstanten Zustand der Metamorphose, vom ersten Tom bis zum letzten. Während einzelne Passagen den Charakter eines Scherzos oder eines langsamen Satzes haben mögen, so ist es doch unmöglich zu sagen, dass das „das Scherzo“ oder jenes „das Adagio“ ist. Obwohl das Werk die erforderlichen Eckpunkte von Höhepunkt und Ruhephase besitzt, so nimmt man seine Form vorrangig als konstanten Fluss wahr, was eine im Repertoire einzigartige symphonische Spannung erzeugt.