Rokoko war einmal bei Aufführungen von Così fan tutte; längst hat man auf den Opernbühnen die beklemmende Aktualität dieses Opernstoffs entdeckt. So spielt auch die neue Inszenierung von Yannis Houvardas in der Jetztzeit, in einem Ambiente, das, so wie es der Bühnenbildner Herbert Murauer auf die Stuttgarter Staatsopernbühne gestellt hat, in seiner Hässlichkeit richtig wehtut.
Diese acht Wohnkojen der Schwestern Dorabella und Fiordiligi, in denen sie ihre Verlobten bzw. Liebhaber empfangen, sind so freud- und lustfeindlich, dass zu Beginn der Handlung alle Beteiligten nur noch in blankem Stumpfsinn dahin dösen. Nur Hochprozentiges hilft offenbar, diese Tristesse zu ertragen. Oder aber die von Alfonso an die Männer gerichtete Wette: Versucht doch, die jeweils Andere zu erobern und ihr werdet sehen, sie werden schwach. Den Mannsbildern gefällt’s, die Frauen sind irritiert, denn ein Regiekniff hat sie zu Mitwissern verurteilt. Während der ganzen Handlung verfolgen alle Figuren den Lauf der Ereignisse – und dies nicht nur zu ihrem Vergnügen, sondern im Gegenteil mit wilder, bis zur Verzweiflung treibender Entschlossenheit. So stößt Alfonsos zynisches Spiel die in dieser abstumpfenden Welt zwischen Blümchentapeten und schäbigen Möbelgarnituren bis dato offensichtlich verschütteten Sehnsüchte der Paare mitten ins Gefühlschaos hinein.
Bezwingend intensiv spielten die Sänger-Darsteller ihre Rollen aus. Dabei war das Ensemble in seinen Leistungen weitgehend homogen, sängerisch wie darstellerisch. Die im Werk angelegten Typen werden in dieser Inszenierung noch weiter geschärft. Fiordiligi, die sich nach außen am meisten für immun gegen alle erotischen Verlockungen darstellt, zeigte Mandy Fredrich als immer wieder mühsam um Fassung kämpfende Frau. In der Felsenarie stemmte sie fast krampfhaft die Beine auf den Boden und sang mit demonstrativ betonter Stärke und spitzer Höhe von Standhaftigkeit und unerschütterlicher Treue, wogegen die Musik mit heftigen Tonsprüngen Widerspruch anmeldete. Cambreling ließ hier, wie überall, die musikalische Aussage auch im Orchester markant artikulieren und gab so der Musik eine kommentierende Rolle, ohne zu glätten oder schöner zu färben. Besonders in den Chören vom angeblich so lustigen Soldatenleben spitzte er den martialischen Unterton dieser Musik deutlich zu. Das Staatsorchester spielte klanglich exzellent; besonders die Holzbläser erfüllten ihre Aufgabe als obligate Arienbegleiter eindrucksvoll. Nur im ersten Akt rannte das Orchester den Sängern mitunter davon.
Die andere Schwester Dorabella ist eher wagemutig, und in der späteren Verführungsszene lässt sie es mit dem erotisch enorm fordernden Guglielmo (von Ronan Collett mit baritonaler Eleganz gesungen) gefährlich weit kommen. Diana Haller füllte die Rolle auch vokal glänzend aus. In ihrer erste Arie, einem einzigen Ausbruch von Frust und Wut, schmiss sie schon mal einen Blumentopf gegen die Wand, blieb aber stimmlich vollkommen kontrolliert und präzise. Mit vitaler Spielfreude gepaart wartete sie stimmlich mit wandlungsfähigem Ausdruck und großem Farbenreichtum auf.