Seit der Spielzeit 2012/13 wird die Kammeroper, ein kleines Theater mit 285 Sitzplätzen, vom Theater an der Wien bespielt. Die sechs Sängerinnen und Sänger des jungen Ensembles des Theater an der Wien haben dort diese Saison die Möglichkeit, zusätzlich zu kleineren Rollen im Haupthaus, fünf Produktionen zu erarbeiten und zur Aufführung zu bringen. Den Auftakt bildete ein wahrer Klassiker – Eugen Onegin von Peter Iljitsch Tschaikowski.
Bedingt durch den kleinen Rahmen der Kammeroper und die Tatsache, dass nur fünf Solisten zur Verfügung standen, wurde eine gekürzte, kammermusikalische Version gezeigt. Ohne Chor, ohne die Rollen der Larina, der Filipjewna und des Triquet wurden die Lyrischen Szenen, wie Tschaikowski selbst seine Oper bezeichnet hatte, ohne verbindende Rahmenhandlung aneinandergereiht. So ergab sich ein interessantes Kaleidoskop von Ereignissen, das aber die Kenntnis des Werks, oder der Romanvorlage von Puschkin, voraussetzte, um der Handlung problemlos folgen zu können.
Die Kammerfassung für zwölf Musiker, erstellt von Jonathan Lyness, wurde der Musik Tschaikowskis leider nur phasenweise gerecht. Zu oft fehlte der volle Klang eines Orchesters – schon die Ouvertüre war somit nur mäßig überzeugend, die Polonaise im dritten Akt holperte richtiggehend dahin. Gut funktionierte die Fassung hingegen in stilleren Momenten, beispielsweise im ersten Akt während der Arie der Olga oder bei den Belehrungen, die Onegin Tatjana erteilt.
Etwas unausgegoren agierte das Wiener KammerOrchester; besonders dem Streichquintett schien die Feinabstimmung zu fehlen, die Klarinette hingegen schaffte es ansatzweise, etwas mehr Gefühl und sogar einen Hauch Melancholie einzubringen. Dirigent Peter Valentovic konzentrierte sich zum Großteil auf die lodernde und drängende Leidenschaft der Partitur und ließ dadurch die typische „slawische Seele“ des Werks vermissen – jegliche schwelgerisch-melancholische Üppigkeit fehlte. Überzeugender waren die sängerischen Leistungen; besonders der Enthusiasmus und die Spielfreude aller Beteiligten war überwältigend.
Viktorija Bakan lieferte als Tatjana eine tolle Leistung und meisterte mit ihrem angenehm timbrierten und sicher geführten Sopran alle Tücken der Partie. War in der Briefszene noch etwas Nervosität zu hören, die sich durch ein paar schrill geratene Töne bemerkbar machte, wirkte sie als erwachsenere Tatjana am Ende der Vorstellung auch stimmlich sehr souverän. Sie überzeugte darstellerisch sowohl als junges, scheues Mädchen als auch als Dame der gehobenen Gesellschaft am Ende des dritten Akts. An ihrer Seite wirkte und klang Tobias Greenhalgh als Onegin zwar noch nicht so weltmännisch-abgebrüht, wie es für die Rolle ideal gewesen wäre, er bemühte sich aber sichtlich darum, der Figur mit seinem schön strömenden Bariton, den er gut zu führen versteht, Ausdruck zu verleihen.