ENFRDEES
The classical music website

Hoffmanns Erzählungen an der Volksoper Wien: Publikumshit mit neuen Stimmen

By , 23 April 2019

Mit der Neuinszenierung von Offenbachs Opéra fantastique durch Renaud Doucet landete die Volksoper 2016 einen großen Publikumserfolg, zumal auch musikalisch Hochwertiges geboten wurde – das führt man sich immer wieder gern zu Gemüte, auch wenn es in der aktuellen Serie noch nicht ganz so rund läuft, wie man das gern hätte. Der Begeisterung des Publikums steht das aber nicht entgegen, denn ein Erlebnis ist so ein Abend allemal.

In der Ausstattung von André Barbe, für die „opulent“ noch ein Hilfsausdruck ist, rollt Olympia als sexy Gruselclown mit Blech-Krinoline durch die Szenerie; Dr. Mirakel ist der Teufel höchstpersönlich und sorgt dafür, dass die arme Antonia von einer Horde Untoter zu Tode dirigiert wird. Der Geist ihrer Mutter entstieg davor einem Schneehaufen auf einem Klavier, und die Damen, mit denen sich Giulietta am Beginn „ihres“ Aktes umgibt, tragen Totenkopfbikinis. Das macht noch immer sehr viel und auch an den Komponisten, der als lebende Messingstatuette den Abend in den Dienerrollen begleitet, hat man sich gewöhnt.

Als Olympia stand wieder Beate Ritter auf der Bühne, und wer geglaubt hat, dass ihre Glanzleistung bei der Premiere kaum zu überbieten wäre, hat falsch gedacht: An diesem Abend gab es noch mehr Freestyle-Koloraturen, noch mehr Puppenspiel – besser als im Opernhaus am Gürtel wird man Olympia derzeit kaum erleben, und auch einen besseren „Einheizer“ als Vorgeschmack auf die weiteren Akte (derer fünf gegeben wurden) kann man sich nicht wünschen.

Als Antonia gab Rebecca Nelsen ein gelungenes Rollendebüt – Dramatik gepaart mit Jugendlichkeit ist genau das, was man für diese Partie braucht. Gleichwohl merkt man, dass sie sich im Französischen („Elle a fui, la tourterelle“ wurde, wie auch andere Nummern mit Einlagencharakter, in Originalsprache gegeben) nicht so wohl fühlt wie im Deutschen, auch wenn die Aussprache prinzipiell passte. Caroline Melzer gab erstmals die Giulietta, und bis auf ein paar kantige Töne stimmte das Gesamtpaket – die Verführerin, die gleichzeitig mit großer Stimme das Kommando führt, steht ihr gut.

Die vierte große Partie des Abends ist die Muse/Niklaus, als die Manuela Leonhartsberger bei ihrem Rollendebüt mit einer tollen Leistung überraschte. Diktion und Intonation waren perfekt, und auch das Mitleiden (und fast möchte man sagen: Fremdschämen) an Hoffmans Irrungen stellte sie packend, aber nie übertrieben dar. Damit rückte sie diese Figur in den Fokus, wie es nur selten gelingt.

In der langen, schwierigen Partie des Hoffmann gab Marco Jentzsch ein ansprechendes Hausdebüt. Er bereitet aktuell seinen ersten Tannhäuser vor, hat andernorts schon Parsifal und Lohengrin gesungen, und man kann sich gut vorstellen, dass die schön timbrierte Stimme bei diesen jugendlichen Helden noch besser aufgehoben ist als bei Hoffmann. Die Spitzentöne und insbesondere die Stellen, in denen Durchschlagskraft gefordert ist (etwa die „Automat“-Rufe am Ende des Olympia-Aktes), scheinen ihm angenehmer zu sein als jene, in denen Flexibilität gefragt ist, aber das schmälert die Leistung nicht.

Leider hatte dieser Hoffmann in Davide Damiani (als Rollendebütant in den verschiedenen Partien des Bösewichts) keinen besonders starken Gegenspieler; zwar gab er sich recht dämonisch und auch „Scintille, diamant“ (als „Erstrahle, Diamant“) gelang adäquat, aber im Vergleich zu den anderen Sängern fehlte es der Stimme an Volumen. Stefan Cerny beeindruckte wieder einmal als teuflischer Wirtshausbesitzer Luther und als Antonias Vater Krespel; als Antonias Mutter wie immer verlässlich gab sich Martina Mikelić. Weitere Rollendebüts in den kleineren Rollen wurden von Ensemblemitgliedern kompetent erledigt (etwa Martina Dorak als Stella).

Was an diesem Abend weniger beeindruckte, war die Orchesterleistung unter Alexander Joel; da klang einiges eher preußisch-hart denn französisch fein; speziell die Barkarole zum Beginn des Giulietta-Aktes kam auf recht eckigen Wellen daher. Da man aber erst am Beginn der neuen Serie steht, stehen die Chancen gut, dass sich diese Wogen noch glätten. Wie wir aus der Hoffmann-Premiere wissen, kann man das in der Volksoper auch anders, da sollten noch ein paar Erinnerungen aufgefrischt werden.

***11
About our star ratings
See full listing
“besser als im Opernhaus am Gürtel wird man Olympia (Beate Ritter) derzeit kaum erleben”
Reviewed at Volksoper Wien, Vienna on 17 April 2019
Offenbach, Les Contes d'Hoffmann (The Tales of Hoffmann)
Volksoper Wien
Alexander Joel, Conductor
Renaud Doucet, Director, Choreography
André Barbe, Set Designer, Costume Designer
Rebecca Nelsen, Antonia
Beate Ritter, Olympia
Caroline Melzer, Giulietta
Manuela Leonhartsberger, Nicklausse, The Muse
Marco Jentzsch, Hoffmann
Davide Damiani, Lindorf, Coppélius, Dapertutto, Miracle
Martina Dorak, Stella
Martina Mikelić, Voice of Antonia's Mother
Karl-Michael Ebner, Andrès, Spalanzani
Christian Drescher, Cochenille, Frantz, Pitichinaccio
Jeffrey Treganza, Nathanaël
Michael Havlicek, Hermann
Stefan Cerny, Luther, Crespel
Marco Di Sapia, Peter Schlémil
Thomas Böttcher, Choirmaster / chorus director
Chorus of the Vienna Volksoper
Orchestra of the Vienna Volksoper
Death, interrupted: KaiserRequiem moves at the Volksoper
****1
Paging Dr Freud! Iolanta and the Nutcracker at the Volksoper Wien
****1
Ella Milch-Sheriff’s Alma emerges as a dark triumph at the Volksoper
****1
Femicide! A controversial Carmen from Lotte de Beer at the Volksoper
****1
The subconscious at play: Lady in the Dark at the Volksoper
****1
Brigadoon charms in Austrian premiere at the Volksoper
****1
More reviews...