Es ist wieder soweit: zum 24. Mal öffnet das Resonanzen-Festival seine Pforten. Vom 16. bis 24. Januar widmen sich verschieden Ensembles unter dem Motto „Apokalypsen“ im Wiener Konzerthaus der „Alten“ Musik, und ganz im Sinne der Bedeutung der altgriechischen Wortherkunft kann das Publikum wieder auf Enthüllungen und Entdeckungen hoffen. Die erste solcher Entdeckung lieferte nun das Eröffnungskonzert, in welchem, entgegen der üblich gewordenen Praxis, die dreiteilige Fassung des Oratoriums Israel in Egypt von Georg Friedrich Händel erklang.
Mit diesem Oratorium hat es eine eigentümliche Bewandtnis. Zum einen ist es ein typisches Oratorium aus der Hand Händels, aber zum anderen ragt es aus seinem Schaffen, ja aus der gesamten Literatur dieser Gattung heraus. Dies liegt daran, dass hier der Chor ein überproportionales Gewicht gegenüber den solistischen Partien hat. Dies mag nicht nur am Thema das Oratoriums liegen, sondern auch an dessen Entstehungsgeschichte. Nachdem Händel nach einer Pleite seines Opernunternehmens und nach einem Schlaganfall für 1738 aufgrund mangelnder Subskribentenzahlen keine neue Opernsaison starten konnte, musste ein Ersatz her. Wenn Opern das Publikum nicht mehr zum kommen bewegen konnten, so sollten Oratorien diesen Zweck erfüllen. Hierzu mussten schnell einige komponiert werden.
Für die ins Auge gefasste Saison von 1739 schuf Händel daher zunächst seine quasi biblische Oper Saul, die gemeinsam mit den älteren Oratorien Alexander's Feast und Il Trionfo del Tempo e della Verità zur Aufführung kommen sollten. Als viertes Werk, das am 4. April 1739 zum ersten Mal erklingen sollte, schuf Händel in knapp einem Monat Israel in Egypt. Dies gelang dem zwar als Schnellschreiber bekannten Komponisten nur, da er bereits fertige eigene und auch fremde Werke als Steinbruch für die neue Komposition nutze. So wurde, da nur wenig Text zu ändern war, aus dem Funeral Anthem für Königin Caroline, die zwei Jahre zuvor gestorben war, die Klage um den verstorbenen Joseph, die den ersten Teil des Oratoriums bildet.
Bereits mit diesem ersten Teil zeigten das Solistenquartett Joanne Lunn, Alex Potter, Nicholas Mulroy und Peter Harvey, der Niederländische Kammerchor und das Concerto Copenhagen unter der Leitung von Lars Ulrik Mortensen, dass sie verstehen, welcher Materie sie sich hier widmen. Wenn auch mancher Übergang im Chor etwas an Deutlichkeit vermissen ließ und die Intonation, vor allem bei hohen Passagen, nicht immer gänzlich sauber war, so lieferte das Ensemble doch eine souveräne Interpretation dieses ersten Teiles, die sich im Verlauf des Konzertes in den Teilen zwei und drei zusehends steigerte.