Vor Beginn der offiziellen Feierlichkeiten Ende nächsten Monats zum Lutherjahr, in dem Mendelssohn selbst Jubilar ist, nimmt das Gewandhaus die Verzahnungen ihrer beiden größten Leipziger Komponistenpersönlichkeiten Bach und Mendelssohn unter die Lupe, denn beide wenden sich in ihrer Vokalmusik den Bibeltexten Luthers zu. Es spannt einen Bogen zum kommenden Bachfest, bei dem dann ebenfalls die Akteure (dann regulär unter John Eliot Gardiner) Mendelssohns und weitere, sich auf Bach beziehende Werke denen Bachs gegenüberstellen.
Der äußerliche Umstand der besetzungstechnischen Spannung vermag gleich am treffendsten die wunderbare Vertonung des Psalmtextes „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser“ zu beschreiben. Sanft aufgehend mit feiner Steigerung der Dynamik und betonten Artikulation ließ Andrew Manze das Gewandhausorchester und den Monteverdi Choir ihre homogene Klanglichkeit entfalten, aus deren Stimmen, vor allem mit den Bläsern, die auch inhaltliche musikalische Vielfalt aus Wärme und Silbrigkeit tönte. Im Einklang zu diesem kompositorischen Kleinod räumte Solistin Lucy Crowe in ihrer Arie mit der gestählt klaren Oboe ihrer kräftigen, kontrollierten Stimme Platz für Akzente ein. Ohne Schärfe und durch das Spiel aus wohltuendem Vibrato und brillantem, dann vibratolosem Auftupfen der reinen Höhen festigte sie übereinstimmend Manzes Wahl der feierlichen und feinen Interpretation. Crowes Sopran floss im folgenden Rezitativ mit Arie auch harmonisch wie eine von ihnen in die gleichtimbrierten Frauenstimmen des Chores ein. Überdies vervollständigte sie ihre Form, Ausdrucksstärke und Technik mit einer wunderbaren Diktion.
Genau diese konsequente Lesart des Dirigenten sowie das komponierte Wechselbad Mendelssohns verdichtete sich im expressiven Chor „Was betrübst du dich meine Seele“, dessen Differenzierung und Ineinandergreifen der unterschiedlichen Stimmen aus beginnenden Männereinsätzen mit Streichern und dem Tutti mit Bläsern farbig zum Vorschein kam. Voller Kraft und Überzeugung, ohne fälschlich zu vermutende Schwermut, bereitete die Strophe vielmehr den daraus resultierenden Lobpreis vor, der im typisch organischen Fluss in das dramatische Rezitativ und Quartett mit Solosopran überleitete. Die Tenöre und Bässe aus den Reihen des Chores, Hugo Hymas, Peter Davoren, Robert Davies und Jake Muffett meisterten im schwierigen Diskurs ihre Einsätze kernig und rücksichtsvoll ausgewogen. Gut gewählt war trotz der architektonischen Dichte das äußerst flüssige Tempo, das Manze mit der verlangten Klarheit wiederum als Einheit zum noch dramatischeren und festlichen Chor im gleichen Tempo formte. Der Spannungsabschluss entlud sich im finalen Dankchor, mit dem die Interpreten den Psalm schon zu einem durchdachten Höhepunkt machten. Der Monteverdi Choir konnte darin auch noch seine enorme Beweglichkeit und eingehende Frische unter Beweis stellen, wobei Aussprache und Kompaktheit nie verloren gingen.