Nach seiner Fertigstellung im Jahr 1878 wurde Tschaikowskys Violinkonzert in D-Dur in der Kritikerwelt äußerst negativ beurteilt; an vorderster Stelle findet sich dabei auch der berühmt-berüchtigte Musikkritiker Eduard Hanslick. Heutzutage zählt dieses Werk jedoch zu den bekanntesten und beliebtesten Violinkonzerten, das von allen großen Geigern gespielt wird und somit besonders häufig auf den Spielplänen zu finden ist.
Wie aber spielt man ein Stück, das nahezu jedem bekannt ist und schon oftmals gehört wurde? Anne-Sophie Mutter bot dem Publikum in Salzburg eine ganz eigenwillige Interpretation von Tschaikowskys Violinkonzert und überzeugte damit derart, dass die Bravorufe noch vor dem Schlussakkord durch das Große Festspielhaus tönten. Ihr Spiel war gespickt von häufigem und großem Vibrato und zurückhaltender Dynamik, der sich die Wiener Philharmoniker allerbestens mit einem strengen Ton anpassten.
Manche Passagen nahm Anne-Sophie Mutter frei im Rubato, sodass sie im nächsten Moment in einem umso schnelleren Tempo mit ihren unfassbar rasanten und gleichzeitig so leicht klingenden Läufen brillieren konnte. Die Koordination der häufigen Tempowechsel sowie der freier genommenen Passagen funktionierten dank Riccardo Mutis genauer Zusammenführung von Orchester und Solistin tadellos. Ein neues Klangerlebnis erhielt man außerdem durch den eher rauen Ton, den Mutter statt des träumerisch romantischen anschlug, welcher sonst so oft erklingt. Dadurch ergab sich obendrein ein sehr natürlicher Klang ihrer Violine.
Die Wiener Philharmoniker unterstützen Mutter dabei auf kongeniale Weise, indem sie die freiere Interpretation in ihr Spiel mitaufnahmen. Die Dynamik blieb auch in den Tutti-Parts zurückhaltender, und es ergab sich dadurch eine ausbalancierte Harmonie zwischen Solo und Tutti. Auf diese Weise stachen zudem die akzentuierten Orchestereinwürfe besonders heraus und verliehen der ganzen Darbietung eine gewisse Würze.