Wenn es zwei zentrale Motive der Romantischen Epoche gibt, dann die Verbundenheit von Glaube und Natur sowie den Traum. Sie sind Ausfluss sehnsüchtiger Fluchtpunkte zur Konfrontation mit der mitunter engen Realität und dem vergänglichen Dasein, dem man allzu oft entkommen möchte beziehungsweise der man sich erträglicher und gleichzeitig verletzender im Verbund der Liebe stellt. Angelehnt an Joseph von Eichendorffs Der frohe Wandersmann, Der Einsiedler und Gewalt'ges Morgenrot unterhält das Freiburger Barockorchester zusammen mit Pablo Heras-Casado die symphonische Reihe „Morgenröte der Romantik“, die mich vor mehr als sechseinhalb Jahren zu meiner damals zweiten Rezension für Bachtrack und in die Kölner Philharmonie führte. Dort hieß es jetzt mal wieder, sich den Interpreten und Romantischen Künstlern namens Schubert und – für das Ensemble erstmals – Berlioz getreu ihres philisterablehnenden, mal schwermütig, doch eben erfrischt-sprengenden Wirkens zu widmen, um besagte Leitideen in musikalischen Einklang zu bringen und im besten Falle den Traum magische Wirklichkeit werden zu lassen.
Oder die Wirklichkeit einen Traum, was uneingeschränkt für Marianne Crebassas Auftritt in Berlioz' Les nuits d'été gilt, die vom ersten Ton in Dauerbetörung vom so natürlich-dunklen, verständlichen, sich in Leichtigkeit ergießenden Mezzo gefangen nahmen, als wären Stimme und Musik nicht von dieser Welt. Erst recht, wenn in so einer flüssigen, diktionsheimeligen und charismatischen Weise vorgetragen, die durch die kleine, wieder verlässlich antiphone Orchesterbefüllung des Abends farblich und balancepraktisch ihre Unterstützung fand. Auch die deshalb umso luzideren lautmalerischen, Berlioz-typischen Effekte kamen damit zu ihrer musikhistorisch vorausgreifenden, ebnenden Bedeutung fabelhaft zur Geltung und spiegelten in Geschmeidigkeit und bebendem Herzen die schicksalshafte Kraft von Natur und Partnerschaft sowie deren Zerbrechlichkeit. Herausgreifen möchte ich dabei das Verhüllend-Zärtliche der Streicher, unter denen Konzertmeisterin Anne-Katharina Schreiber im schüchternden, bekümmerten, fragenden „Au cimetière“ den „zitternden Strahl mit weißem Schleier“ durchstoß sowie die zum Vokalsolo selbstbewusst französisch-italienisch aufblühenden Fagotte und Lorenzo Coppolas Klarinette in „L'île inconnue“. Versprühte Crebassa förmlich den tiefroten Duft und die schmerzliche Eleganz des Gewächses in „La spectre de la rose“, unterstrich sie mit besonders theatralischem Affekt „Wie traurig ist mein Los!“ des noch tieferen „Sur les lagunes“ dessen verzweifeltes Verwelken.