„Aus der Tiefe meiner Einsamkeit, aus dem Abgrund meiner Macht reiße ich mein Herz heraus und bringe es als Opfer der Sonne dar“. Mit diesen Worten schließt Król Roger und wird damit exemplarisch für den Symbolismus und die Rätselhaftigkeit von Karol Szymanowskis Oper. Es ist ein Werk der Gegensätze, Widersprüche und Zwiespälte. Das Sujet schwebt zwischen Vernunft und Triebhaftigkeit, zwischen Askese und Ekstase, zwischen Kultiviertheit und instinktbasiertem Handeln.
Die Geschichte um den normannischen König Roger II. aus dem 12. Jahrhundert, dessen Frau und Volk von einem jungen Hirten verführt wird, bildet dabei nur den äußeren Handlungsrahmen. Vielmehr gilt die Geschichte als eine ins Christentum transponierte Version Euripides' Bakchen und schildert einen symbolistisch aufgeladenen Konflikt zwischen der apollinischen, vernunftbegabten Aufklärung und einem dionysischen, lustvollen Hedonismus.
Karol Szymanowskis eigenes Leben war ebenso von inneren Kämpfen und Zwiespälten geprägt, wie sie sich im Verhalten seiner Titelfigur widerspiegeln. Szymanowski erarbeitete das Libretto in Zusammenarbeit mit seinem Cousin Jarosław Iwaszkiewicz und schuf eine wahrhaft mystische, mesmerisierende und überwältigende Musik.
Im komplett abgedunkelten Auditorium erklingen wie aus der Ferne die ersten Töne der Oper. A cappella stimmt der chorale Gesang an, bis sich die Musik der ätherischen Klänge in C-Dur entlädt. Der Vorhang öffnet sich schließlich und gibt den Blick frei auf eine ganz in weiß gehaltene Bühne in deren Mitte ein großer Spalt prangt. Darauf agiert eine abgeklärte, gefühlskalte Gesellschaft, die sich zwischen Sittenstrenge und -verfall bewegt. Dargestellt vom Chor, ganz in schwarz, wie Trauergäste auftretend und stets dunkle Sonnenbrillen tragend, verstecken sie ihre Gesichter und verbergen jegliche Gefühlsregungen.
Psychogrammatisch werden die Hauptfiguren in ihrer inneren Zerrissenheit, in ihrem Kampf mit sich selbst, gezeichnet. Besonders eindrucksvoll ist zu beobachten, wie König Roger auf der Bühne erahnen lässt, was für düstere Abgründe in ihm schlummern. Geplagt von Selbstzweifeln versucht er den Ansprüchen aller an ihm als Anführer des Volks zu entsprechen. Der polnische Bassbariton Łukasz Goliński ließ in seelische Tiefen seiner Rolle blicken und stellte den von Zweifeln zerfressenen König eindrucksvoll dar. Seine Stimme war kraftvoll voluminös und düster gefärbt.
Die monarchistische Ordnung und Macht des Königs wird durch das Erscheinen des Hirten, einer Mischung aus Prophet, Erlöser und Dionysus, infrage gestellt. Dieser predigt von einem schönen, jungen Gott und findet sogleich eine große Anhängerschaft, darunter auch Königin Roxana. Als einziger ganz in weiß gekleidet, mit strohblondem Haaren, sticht er aus der schwarzen Masse wie ein Lichtblitz hervor. Der Tenor Gerard Schneider ließ den Hirten völlig unbeschwert und sorgenfrei agieren. Sein helles Timbre entsprach auch stimmlich dem leichtem Gemüt und der hedonistischer Lebensart seiner Rolle. Man kommt in Anbetracht seiner Nähe zu Roxana und des Zwiespalts, den er sät, nicht umhin, in ihm Parallelen zu Rasputin zu erkennen.