Goldmedaille und Grand Prix des international renommierten Tschaikowsky-Wettbewerbs 2019: noch vor dem Lockdown wurde damit der junge französische Pianist Alexandre Kantorow geehrt; Sohn von Jean-Jacques Kantorow, der als Geiger und Dirigent in den 1970er Jahren berühmt geworden war. Kantorow war der erste Franzose, dem diese Auszeichnung zuerkannt wurde; mit Valery Gergiev, seit 2011 Schirmherr des Wettbewerbs, und dessen Orchester des Mariinsky-Theaters konnte er vor der Schließung der Konzertsäle noch auf internationalen Auftritten brillieren, im Reisegepäck Tschaikowskys Zweites Klavierkonzert G-Dur. Ein geplanter Auftritt an der Isarmetropole musste dann jedoch abgesagt werden.
Münchens neue Isarphilharmonie lieferte nun in jeder Hinsicht den prachtvollen Rahmen für Alexandre Kantorows Debüt bei den Münchner Philharmonikern, für deren Chefdirigent Gergiev die Vorstellung von Solist und Werk hörbar ein besonderes Anliegen waren. Dass Tschaikowsky neben dem populärsten aller russischen Konzerte noch ein weiteres ausgewachsenes Klavierkonzert komponierte, dürfte mancher Konzertfreund hier erstmals realisiert haben; dass auch dieses monumentale G-Dur-Werk in frenetischer Wucht und Rasanz dem früheren b-Moll-Konzert in Nichts nachsteht, war nun begeisternd zu erleben.
Bruckners Sechste Symphonie und Tschaikowskys Klavierkonzert, geradezu als ob die beiden Werke die Rollen ihrer Entstehungsgeschichte getauscht hätten: Bruckners Sechste ist frei von den so typischen mannigfachen späteren Eingriffen in seine Kompositionen; Tschaikowsky hielt sein G-Dur-Konzert für zu wenig virtuos, so dass damals der Liszt-Schüler Alexander Siloti den zweiten Satz um fast 200 Takte verkürzte. Erst in jüngerer Zeit hat sich die Originalfassung (des Brucknerverlags Wiesbaden, sic!) wieder durchgesetzt,
Gergiev und die Münchner begannen mit einer breit ausgemalten Orchester-Exposition, deren Hauptthema von Kantorow ebenso kraftvoll wie drängend aufgenommen wurde. Schon bald blühten auch poetisch ruhige Augenblicke wie der herrliche Dialog zwischen Piano und Soloflöte auf, wurden kantable Seitenthemen neu erforscht. Doch ließ Kantorow immer wieder aufwühlende Passagen vielstimmiger Wucht folgen, in denen das Motiv abgewandelt oder in Schwindel erregende tonleiterförmige Sechzehntel-Akkordketten über alle sieben Oktaven bei scharf umrissener rhythmischer Prägnanz und packendem Schwung präsentiert wurde. Mit seiner stupenden Fingerfertigkeit hatte Kantorow reichlich Gelegenheit zu brillieren, zumal in der 130 Takte umfassenden Kadenz am Ende der Durchführung, in der seine scharfe Kontrastierung von Intimität und dichter Klangpracht, von pianistischer Leichtigkeit und klanglichem Raffinement mitrissen und Kantorows kraftstrotzende Präzision Tschaikowskys Oktaven-Donner in einem pianistisches Fanal abschlossen.