Deutschland hat aktuell die EU-Ratspräsidentschaft inne, anlässlich deren vormaligen Vorsitzes 1999 ein Treffen der europäischen Staatenlenker in Köln stattfand. Im Gürzenich, dem traditionsreichen Festsaal-Mittelpunkt der Stadt, trafen auch im Ministerrat die Chefs der Justizportfolios zusammen, um über die im Jahr 2000 zu verabschiedene EU-Grundrechte-Charta, eine wertegeprägte Megaleistung, zu diskutieren. Sie ist das Äquivalent der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die sich die UNO 1948 gegeben hatte. Das Cölner Barockorchester, das sich in seiner Reihe Fair Play den Themen Nachhaltigkeit und Errungenschaften der Zivilisation annimmt, wollte an jenem Ort mit Isabella Leonarda, Heinrich Schütz, Georg Muffat, Henry Purcell, Johann Hermann Schein, Jean-Baptiste Lully und Georg Philipp Telemann, den Kölner Vokalsolisten, erklärenden Worten Vincent-Immanuel Herrs und Live-Illustrationen Birgit Jansens kreativ daran erinnern. Der novemberliche Corona-Lockdown, der selbst nochmals das generelle Bedürfnis und den humanistischen Anspruch auf Kultur, Hoffnung und Verständigung deutlich werden lässt, machte allerdings einen Umzug in die Philharmonie notwendig, um dies via Livestream zeigen zu können.
Dass dort das Konzert mit Queen Mary's Funeral March von Purcell und seiner tiefen Wirkung der Tragik und Würde begann, war ein besonders gelungener Zufall, hatte just zuvor Prinz Charles in britisch-deutscher Versöhnungsbewunderung die Gedenkrede zum Volkstrauertag im Deutschen Bundestag gehalten. Mit ihm erinnert man sich des unsäglichen Leides und des Ursprungs der notwendigen Wahrung universaler Schutzgüter. Eine eindrucksvolle Völkerverständigung hat der multistilistische Telemann begangen, als er europäische Nationalitäten von West bis Ost in seinen beiden thematischen Ouvertüren charakterisierte. Alle Telemannischen Studien mit Suitentanzsätzen zusammengefasst hat Adolf Hoffmann nach dem liederzyklischen Vorbild der Singenden Geographie in der Klingenden Geographie, aus der das CBO mit Blick auf die Rechtsstaatslage neben der B-Dur-Ouvertüre und Europa, Rußland, Polen, Ungarn und die Türkei vorstellte. Konzertmeisterin Justyna Skatulnik führte ihre Ensemblemitstreiter an Streichinstrumenten, Cembalo, Schwanenhalslaute und Perkussion dabei galant durch unseren Kontinent, nachdem sie Telemann in der Einleitung in eigens menschengerechter Weise beschrieben: dynamisch, raffiniert und optimistisch unbeschwert. Ein dunklerer Klang trat nur mit dem anfangs agogisch vermittelten Schlag der orthodoxen Kremlglocken auf, während ein verschmitzt-freundlich, stolz-entspanntes Polen, ein beschwingt-melodisches Husarenrittchen Ungarns und ein markant harmonisch-rhythmisches Lüftchen vom europäischen Teil der Türkei erspielt wurde.